Die Ergebnisse der Halbzeit-Kongresswahlen vom 6. 11. haben erneut deutlich gemacht, wie gespalten die USA sind. Das gilt auch für die Einstellung der Kirchen zum Israel/Palästina-Konflikt.
Dass evangelikale Gruppen maßgeblicher Teil der Israel-Lobby in den USA sind (dazu das Standardwerk von John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt »The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy«), ist auch hierzulande bekannt. Kaum zur Kenntnis genommen wird jedoch, dass in den christlichen Kirchen in den USA zunehmend deutlicher auch ganz andere Positionen vertreten werden.
Von den ca. 320 Mio. Einwohnern der USA bekennen sich ca. 230 Mio. (71 %) zum Christentum in diversen Konfessionen. Der National Council of the Churches of Christ in the USA (NCC) ist ein ökumenischer Zusammenschluss, traditionell eher links, und vertritt rund 40 Mio., also knapp ein Fünftel dieser Christen.
Am 11. Oktober trafen sich Vertreter des NCC und dreier christlicher Fachverbände: Der Unterstützerorganisation für palästinensische Christen Bright Stars of Bethlehem, der christlichen Lobbyorganisation für Frieden in Israel/Palästina Churches for Middle East Peace und der progressiven afroamerikanischen Samuel DeWitt Proctor Conference. Ihr dort verabschiedeter Aufruf fordert u.a. die Anerkennung Ostjerusalems als Hauptstadt des Staates Palästina und mahnt eine »ausgeglichene Politik« der US-Regierung an, um zu einer gerechten Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts zu gelangen. Bereits 2017 hatte der NCC dagegen protestiert, Jerusalem zur Hauptstadt Israels zu erklären, und darauf hingewiesen, dass eine solche Entscheidung den Frieden in der Stadt und möglicherweise in der Region gefährden würde.
Verschiedene kleinere Konfessionen (teilweise Mitgliedskirchen der NCC) mit insgesamt ungefähr 15 Millionen Mitgliedern sind einen Schritt weitergegangen und haben in mehr oder weniger scharfer Form beschlossen, Unternehmen, die durch ihre Geschäfte an der israelischen Besatzung verdienen, zu boykottieren und kirchliche Investitionen aus diesen Unternehmen abzuziehen (s. Faith-Based Actions): bereits 2004 die Presbyterianer, 2005 Teile der Vereinten Methodistischen Kirche, seit 2012 mehrere regionale Quäker-Organisationen, 2013 die Mennoniten, 2015 die United Church of Christ, 2016 die Unitarier, die Allianz der Baptisten und die Evangelisch-Lutherische Kirche, 2018 die Episkopalkirche. In gleicher Richtung gingen Voten von progressiven katholischen Gremien, so 2007 der Nationalen Koalition amerikanischer katholischer Nonnen und 2016 der Konferenz höherer katholischer Oberer.
In diesem Sinne forderten der Weltkirchenrat und der NCC im September 2016 das Ende der Besatzung und des Siedlungsbaus sowie die Respektierung der Menschenrechte. Außerdem fordern sie die US-Regierung auf, die geplante Militärhilfe an Israel in Höhe von 38 Mrd.$ zu überdenken, »for the last thing needed at this time is more weapons«. Eine Forderung, die angesichts der großzügig subventionierten deutschen Waffenlieferungen an Israel auch an die deutsche Bundesregierung gerichtet sein könnte. Die Kirchen in Deutschland unterstützen zwar das EAPPI-Programm (Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel), haben aber bisher auf den Hilfeschrei der Palästinenser in der Kairos-Erklärung von 2009 nicht positiv reagiert. Es ist an der Zeit, dass die deutschen Kirchen endlich ihre Zurückhaltung, die sie als doppelte Solidarität bezeichnen, aufgeben und sich wie die obengenannten Kirchen in den USA deutlich auf die Seite der Unterdrückten stellen. Desmond Tutu hat es klar ausgedrückt: »Wenn du dich in Situationen der Ungerechtigkeit neutral verhältst, hast du dich auf die Seite des Unterdrückers gestellt.« Auch dies gilt für unsere deutsche Bundesregierung.