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Keine internationalen Beobachter mehr vor Ort

Am 31. Januar lief das Mandat der TIPH-Mission (Temporäre Internationale Präsenz in Hebron) ab und wurde vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nicht verlängert. „Wir werden den weiteren Einsatz einer internationalen Kraft, die gegen uns agiert, nicht erlauben“, begründete der Regierungschef die Entscheidung.

Warum sind internationale Beobachter wichtig?

Die unbewaffneten TIPH-Beobachter waren aufgrund des Hebron Agreement zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) seit 1997 in Hebron. Sie sollten zu einem „normalen Leben“ zwischen palästinensischen Einwohnern und israelischen Siedlern beitragen, indem sie versuchten, Spannungen abzubauen und Konflikte zu verhindern.


Die Schriftstellerin Eva Menasse 2016 in Hebron (5-minütiges Video des Bayerischen Rundfunks)

Im Rahmen des Hebron Agreement wurde Hebron in die Zonen H1 und H2 aufgeteilt. Die Sicherheits- und Zivilangelegenheiten in Zone H1, wo die meisten palästinensischen Bewohner Hebrons (ca. 120.000) leben, wurde an die PA übergeben. In Zone H2 (mit ca. 40.000 Palästinensern und 850 Siedlern) behielt Israel die Verantwortung für Sicherheitsfragen, die PA ist für zivile Angelegenheiten zuständig. Die Palästinenser sind extremen Einschränkungen ausgesetzt. Das israelische Militär hat Stilllegungsanordnungen an Hunderte von Geschäften und kommerziellen Einrichtungen in der Region erteilt. Beispielsweise ist es den Palästinensern in der Zone H2 untersagt, die Al-Shuhada-Straße, die Haupt-Geschäftsstraße, zu benutzen.
Infolgedessen wurden fast die Hälfte aller Geschäfte in H2 geschlossen. Darüber hinaus leiden die Palästinenser unter nächtlichen Militäreinsätzen in ihren Häusern und unter Schikanen, Verzögerungen und erniedrigender Behandlung an den 20 von israelischen Soldaten besetzten checkpoints. Auch die Belästigung der Palästinenser durch Siedler ist zu einem festen Bestandteil des Lebens in Hebron geworden. Dokumentierte Beispiele sind physische Angriffe, Steinwürfe, Vandalismus gegen Geschäfte und Wohnungen, Diebstahl, verbale Belästigung, Versuche, Palästinenser mit einem Auto zu überfahren, und mehrere Fälle von Schusswaffengebrauch. In einem solchen Fall wurde ein 12-jähriges palästinensisches Mädchen getötet. (Quelle: hier).

BBC Arabic hat eine ausführliche Dokumentation über Hebron erstellt.

Nicht-Verlängerung des TIPH-Mandats

Im Jahr 2018 verschlechterten mehrere Vorfälle das Verhältnis zwischen TIPH und der israelischen Regierung. Im Sommer 2018 wurden zwei gewaltsame Übergriffe durch TIPH-Mitarbeiter gegen israelische Siedler gemeldet. Dies führte zu zunehmendem Druck auf Premierminister Netanyahu, das Mandat der Beobachter zu widerrufen, was jüdische Siedler in Hebron bereits seit Jahren fordern. Für Netanjahu waren die Verstöße ein willkommener Vorwand, die Beobachter vor die Tür zu setzen.

Ausschlaggebend für die Entscheidung Netanyahus war, dass Haaretz im Dezember 2018 über einen vertraulichen Bericht von TIPH aus dem Jahr 2017 berichtete. Darin wird Israel aufgrund von über 40.000 zwischen 1997 und 2017 eingereichten „incident reports“ kritisiert, wegen

  • regelmäßiger Verletzung des Völkerrechts,
  • Verstößen gegen das Recht auf Freizügigkeit und Nichtdiskriminierung der Palästinenser,
  • des mangelnden Schutzes vor illegaler Abschiebung und
  • Straflosigkeit der von israelischen Siedlern an Palästinensern begangen Verbrechen in Hebron

Darüber hinaus bestreitet TIPH die Landbesitzansprüche von Siedlern.

Dieser TIPH-Bericht war der erste, der öffentlich zugänglich gemacht wurde, da die Berichte in der Regel nur ihren Heimatländern sowie den palästinensischen und israelischen Behörden vorgelegt werden. Während die israelische Regierung behauptet, dass die Beendigung des TIPH-Mandats aufgrund der Feindseligkeit gegenüber Israel notwendig sei, klassifizierte das Außenministerium der PA die Entscheidung von Netanyahu als ein Mittel, um die schweren, systematischen und eskalierenden Menschenrechtsverletzungen zu vertuschen, indem es TIPH als Zeugin loswird. (S. Bericht der Friedrich-Ebert-Stiftung.)

Nach dem Ende der TIPH-Mission

Die Gewalt gegen Palästinenser in Hebron nimmt jedenfalls kein Ende. Bereits Mitte Februar starteten israelische Siedler einen Angriff auf Palästinenser in der Altstadt von Hebron, schrien „Tod den Arabern“ und schleuderten Steine auf palästinensische Häuser. Nach Angaben der Einheimischen marschierten mehr als 100 Siedler in Begleitung von über 70 israelischen Soldaten um 21.00 Uhr in der Altstadt die Shuhada-Straße in Richtung des palästinensischen Stadtteils Tel Rumeida und sangen antiarabische Slogans. Vorfälle wie dieser werden in Zukunft undokumentiert bleiben, wenn keine internationalen Beobachter vor Ort sind.

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