BIP Konferenz in Nürnberg 24.5.24-26.5.24
Blog per E-Mail folgen

Gib deine E-Mail-Adresse ein, um diesem Blog zu folgen und per E-Mail Benachrichtigungen über neue Beiträge zu erhalten.

Aktuelle Beiträge

No more posts to show
Palestine Solidarity Campaign in Großbritannien gewinnt entscheidenden Gerichtsprozess
Zusammenfassung: Eine wichtige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs des Vereinigten Königreichs schützt das Recht von Organisationen, einschließlich kommunaler und staatlicher Organisationen, den Staat Israel und Unternehmen, die an der Besetzung und Ausbeutung Palästinas beteiligt sind, zu boykottieren und zu sanktionieren. Nach vier Jahren Rechtsstreit erlaubte der britische Oberste Gerichtshof britischen Kommunalverwaltungen, sich von der Zusammenarbeit mit israelischen und internationalen Unternehmen, die an der Besetzung des Westjordanlands beteiligt sind, zu trennen: Er erklärte das Verbot dieses Auswahlkriteriums durch die britische Regierung für illegal. Es handelt sich um eine historische Entscheidung, die klarstellt, dass die Bürger sich dafür entscheiden können, auf den Kauf bestimmter Produkte oder Dienstleistungen zu verzichten, und dass Regierungen sich der Diskriminierung schuldig machen, wenn sie Bürger für ihre Entscheidung bestrafen.

Im Jahr 2016 erließ die britische Regierung strenge Richtlinien, die es staatlichen und kommunalen Institutionen verbieten, sich in irgendeiner Weise an der BDS-Bewegung zu beteiligen. Dies wirkte sich besonders auf die kommunalen Rentenkassen (Local Government Pension Scheme, LGPS) aus: Die Regierung verpflichtete sie, die Rentengelder von ca. 5 Mio. im kommunalen öffentlichen Dienst Versicherten in Unternehmen zu investieren, die gegen internationales Recht verstoßen, indem sie an Israels Besatzung des Westjordanlands wirtschaftlich teilhaben. Es musste also Geld bei z. B. Hewlett Packard, Elbit Systems, Caterpillar, Heidelberg Zement angelegt werden, sonst sei dies Diskriminierung. Anlässlich der Verkündung von Plänen für diese Richtlinien im Februar 2016 schrieb der weltberühmte Journalist Glenn Greenwald, dieser und andere Versuche, BDS zu verbieten, seien der schlimmste Angriff auf die Meinungsfreiheit im Westen in der heutigen Zeit.


Foto: Oberster britischer Gerichtshof. Quelle: Wikipedia, 2015.

Wie der Al-Jazeera-Dokumentarfilm von 2017 „Die Lobby“ zeigte, arbeitete die israelische Regierung eng mit der britischen Regierung zusammen, um zu versuchen, palästinensische Solidaritätsgruppen und insbesondere die BDS-Bewegung in Großbritannien zu unterdrücken. Die Kombination aus Diplomatie, Propaganda und Geheimdienstoperationen wurde in unserem BIP-Aktuell 114 beschrieben. In Großbritannien führte sie auch dazu, dass Mitarbeitern der Kommunen untersagt wurde, zu einem anderen Pensionsfonds zu wechseln. Diese Lobby trug schließlich auch zur Niederlage von Jeremy Corbyn und der Labour-Partei bei den Wahlen 2019 bei. In Frankreich brachte diese Einmischung die bedauerliche parlamentarische Erklärung vom vergangenen Dezember mit sich, in der Antizionismus mit Antisemitismus gleichgesetzt wurde. In Deutschland führte sie im vergangenen Mai zu einem Beschluss, in dem die BDS-Menschenrechtsbewegung mit dem Nationalsozialismus verglichen wurde.

Die Palestine Solidarity Campaign (PSC) ist die größte zivilgesellschaftliche Organisation in Großbritannien, die sich für die Beendigung der Besatzung einsetzt. Sie hatte gegen die Entscheidung der Regierung Klage eingelegt und durch mehrere Instanzen durchgezogen. Am 18. April entschied nun das Oberste Gericht zugunsten der PSC. Das Gericht hob die Entscheidung der Regierung auf und stellte klar, dass öffentliche Institutionen das Recht haben, sich von israelischen Unternehmen oder Unternehmen, die von der Besatzung profitieren, zu trennen. Die PSC nennt dies einen „historischen Sieg“.


Foto: Palestine Solidarity Campaign Kundgebung, Halifax (Yorkshire), 6. Mai 2017. Quelle: Palestine Solidarity Campaign

In diesem Gerichtsverfahren ging es nicht nur um die Frage der Meinungsfreiheit, sondern auch um die weiter gehende Frage: Gehört das Volk der Regierung oder gehört die Regierung dem Volk? Dürfen Regierungen Entscheidungen politischer Bewegungen verbieten, mit denen sie nicht einverstanden sind?

Auch in den USA, einem Land mit einer starken liberalen Tradition und einer stärkeren Verteidigung der Meinungsfreiheit als in Deutschland, wurde diese Frage heftig debattiert. Der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo wollte BDS in New York verbieten, verfügte dafür aber nicht über die rechtlichen Mittel. Stattdessen erstellte er im September 2016 eine Liste von Organisationen und Unternehmen, die BDS unterstützen, und beschloss, dass der Staat New York die Unternehmen und Organisationen auf dieser Liste boykottieren würde. Er sagte, der Staat New York werde „die Boykotteure boykottieren“. Die britische Regierung ahmte Cuomo nach und wollte ihre Macht nutzen, um die Unternehmen zu unterstützen, die im Visier der BDS-Bewegung stehen.

Es bedurfte vier Jahre juristischer Kämpfe und zweier Berufungsverfahren im Vereinigten Königreich, bis der Oberste Gerichtshof seine Entscheidung traf. Als Reaktion auf die Kritik in Großbritannien an Waffenverkäufen an Israel und Saudi-Arabien kündigte die britische Regierung im Dezember 2019 eine Gesetzgebung an, die es öffentlichen Körperschaften verbietet, eigene direkte oder indirekte Boykott-, Desinvestitions- oder Sanktionskampagnen (BDS) gegen ein anderes Land zu führen. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs stellt klar, dass ein solches Gesetz gegen das britische Rechtssystem verstoßen würde.

Die Entscheidung des britischen Obersten Gerichtshofs ist in der Tat historisch. Sie ist eine Botschaft an den Rest der Welt: Eine Demokratie darf keine Verbote gegen ihre eigenen Bürger ergreifen, wenn diese kein Verbrechen begangen haben, nur um sie daran zu hindern, eine politische Meinung zu äußern. Auch in Deutschland gibt es schon einige Gerichtsbeschlüsse, die das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit auch für Kritiker der israelischen Nationalisten bestätigten, dabei auch für Vertreter der BDS-Bewegung, so 2018 das Verwaltungsgericht Oldenburg und 2019 in zweiter Instanz das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, ebenso 2019 das Verwaltungsgericht Köln. Daher hoffen wir, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe dem Spuk der Resolutionen von Bundestag, Landtagen und Gemeinderäten ein Ende macht, die sich dem Wortlaut nach gegen BDS, de facto aber gegen jede menschenrechtliche Kritik an Israels Nationalismus wenden und Meinungs- und Versammlungsfreiheit aushebeln.

Ein Kommentar

  1. Sehr gut! Besonders, weil vor allem westliche Regierungen sich das Recht herausnehmen, andere Länder zu sanktionieren, um einen Regime-Change zu erzwingen. Sie führen Krieg mit anderen Mitteln. 39 Staaten sind davon betroffen, mit z. T. tödlichen Konsequenzen, z. B. im Jemen und in Venezuela.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.