BIP Konferenz in Nürnberg 24.5.24-26.5.24
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Welche Interessen stehen hinter dem Abkommen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten?
Zusammenfassung: Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und der Staat Israel unterzeichneten ein Abkommen, das in den Medien als Friedensabkommen und als „Erdbeben im Nahen Osten“ gepriesen wird. Hinter dem Abkommen stehen die Interessen der Rüstungsindustrie und ein Militärbündnis gegen den Iran. Das Abkommen wurde von Trump orchestriert und verhilft den VAE zu Legitimität und Einfluss, die sie benötigen, um nach und nach die führende Rolle Israels bei der Vertretung der US-Interessen im Nahen Osten zu übernehmen. Damit wird ein weiteres Versprechen (der Arabischen Liga) zur Solidarität mit den Palästinensern gebrochen.
 
Kann ein Friedensvertrag zwischen Ländern unterzeichnet werden, die sich nicht im Krieg befinden? In den letzten Jahren hat sich eine stetige Zusammenarbeit zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten entwickelt, die ebenfalls ein kleiner und korrupter nahöstlicher militärischer Verbündeter der USA sind. (Wichtige Städte der VAE sind die in den letzten Jahren in Deutschland als Reiseziele in Mode gekommenen Dubai und Abu Dhabi.) Unter der Führung von Premierminister Benjamin Netanjahu und Scheich Khalifa bin Zayed haben die beiden Länder im Iran einen gemeinsamen Feind gefunden und arbeiten eng zusammen, um mehr Sanktionen gegen die Islamische Republik Iran zu fordern, ebenso gegen Gruppen, die mit dem Iran verbündet sind oder von ihm unterstützt werden (wie die Houthis im Jemen und die Hisbollah im Libanon) oder Gruppen und Regierungen, die mit der Muslimbruderschaft befreundet sind, wie Katar, die Türkei, Libyen und die Hamas.
 
All diese Zusammenarbeit erfolgte im Stillen und zwischen den Regierungen, während die meisten Bürger der VAE und die israelischen Bürger kaum etwas über das andere Land wissen. Die meisten Israelis hatten bisher noch nie von Khalifa Muhammed bin Zayed bin Sultan Al Nahyan, kurz Scheich Khalifa, gehört, dem derzeitigen Präsidenten der VAE, gleichzeitig Emir von Abu Dhabi, Oberbefehlshaber der bewaffneten Streitkräfte der VAE und Vorsitzender des dortigen Obersten Erdölrates. In den israelischen Nachrichten konnten Israelis in den letzten Jahren vor allem hören, dass die VAE den dortigen Menschenrechtsaktivisten Ahmad Mansour unter Einsatz israelischer Spionagetechnologie 2017 verhafteten und dass der israelische Mossad wahrscheinlich hinter der Ermordung von Mahmoud el-Mabhouh in Dubai im Jahr 2010 steckte, bei der die gestohlenen Identitäten von Bürgern aus Großbritannien, Irland, Frankreich, Australien und Deutschland verwendet wurden.
 

Khalifa Muhammed bin Zayed, 2004. Quelle: Wikipedia.
 
Das Abkommen bleibt geheim, es wurde kein eigentlicher Friedensvertrag unterzeichnet, nur die Bereitschaft, in Zukunft ein Abkommen zu unterzeichnen. Thomas Friedman von der New York Times nannte es ein „Erdbeben im Nahen Osten“, aber es bleibt abzuwarten, wie sich dieses Abkommen auf das Leben der Menschen in der Region auswirken wird. US-Präsident Trump stellte das Abkommen als eine Möglichkeit dar, Israel daran zu hindern, Teile des Westjordanlandes einseitig zu annektieren, aber rechte Israelis fragen sich, was der Nutzen der Unterzeichnung dieses Abkommens ist, und ob es nicht besser wäre, stattdessen wie bisher mehr palästinensisches Land zu annektieren.
 
Premierminister Netanjahu gab an, dass er weder Außenminister Gabi Ashkenazi noch Verteidigungsminister Benny Gantz einbezogen hatte, aus Angst, sie könnten das Abkommen sabotieren oder seinen Inhalt vorzeitig durchsickern lassen. Er kündigte an, dass trotz der Erklärungen von Trump die Pläne zur Annexion palästinensischen Landes im Westjordanland unverändert bleiben würden. In einem Interview mit Sky News Arabia erklärte Netanjahu, dass sowohl Israel als auch die VAE „progressive Demokratien“ seien. Die erbliche absolutistische Monarchie der VAE als „progressive Demokratie“ zu bezeichnen, ist genauso absurd wie die Äußerung des Antisemitismus-Beauftragten Felix Klein, der Israel als „liberale Demokratie“ bezeichnete.
 

In London wird gegen Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate protestiert und an 1.000 Tage Krieg im Jemen erinnert. Quelle: Alisdare Hickson, Flickr, 2018.
 
Die palästinensischen Regierungen in Ramallah und in Gaza sind wütend über das Abkommen. Die „Normalisierung“ der Beziehungen zwischen den arabischen Ländern und Israel sollte von einer israelischen Anerkennung des palästinensischen Rechts auf Selbstbestimmung und Menschenrechte abhängig gemacht werden. In deutschen Medien wurde das Abkommen als vorteilhaft für die Palästinenser dargestellt, weil es die Gefahr einer Annexion verzögert (oder vielleicht sogar aufhebt). Rainer Brandes vom Deutschlandfunk sprach mit der palästinensischen Botschafterin in Deutschland, Khouloud Daibes, und forderte sie auf, Trump dafür dankbar zu sein, dass er Israel dazu gebracht habe, die Annexion, die er mit seinem „deal of the century“ überhaupt erst gefördert hatte, zu verschieben. Das Abkommen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten war für Brandes auch eine Gelegenheit, von Daibes zu fordern, sie solle die Brand-Ballons aus dem Gazastreifen verurteilen. Der DLF-Moderator forderte dies zu einer Zeit, als israelische Streitkräfte in Gaza und Westjordanland angriffen und Menschen verletzten, unter ihnen eine schwangere Frau und ein dreijähriges Kind, wohingegen niemand in Israel von diesen Ballons verletzt worden war.
 
Für die israelische Regierung liegt die Bedeutung dieses Abkommens mit den VAE vor allem darin, dass es der Türöffner für weitere Normalisierungsabkommen mit anderen arabischen Ländern (wie Oman, Bahrain und Saudi-Arabien) sein könnte. Israelische Rüstungsunternehmen und sogar Söldnergruppen haben bereits in der Vergangenheit mit den VAE  kooperiert. In Libyen wurden israelische Waffen gefunden, die Söldner der VAE für den  Kriegsherrn Khalifa Haftar einsetzten. Die VAE haben auf Zypern eine Firma eröffnet, in der Absolventen israelischer Geheimdiensteinheiten für Cyber-Sicherheitsfirmen der VAE arbeiten können. Der israelische Journalist Haggai Amit berichtet (auf Hebräisch), dass außer dem Rüstungssektor wohl kein anderer Sektor der israelischen Wirtschaft von dem Abkommen mit den VAE profitieren wird. Obwohl Netanjahu die Lorbeeren für das Abkommen einheimst und es als Teil seiner Kampagne benutzt, um die Kritik an seiner Korruption abzuwehren, ist es den israelischen Interessen kaum dienlich, Israel mit einem weiteren Pariastaat neben MyanmarWeißrussland und Südsudan in Verbindung zu bringen.
 
Aus der Perspektive der VAE ist das Abkommen mit Israel jedoch eine strategische Meisterleistung. Die VAE haben Israel bei den Importen aus den USA überholt. Zwischen 2010 und Juni 2020 importierten die VAE Waren und Dienstleistungen im Wert von 209 Milliarden Dollar aus den USA (Waffen sind ein wichtiger Importartikel), während Israel nur 141 Milliarden importierte. Israel exportiert jedoch mehr Waren und Dienstleistungen in die USA als die Vereinigten Arabischen Emirate. Der Hauptexport der VAE ist Rohöl, dessen Preis während der Coronavirus-Krise zusammenbrach. Für die VAE schrumpft das Zeitfenster, in dem sie ihren materiellen Reichtum in politischen Einfluss umwandeln und sich selbst zu einer zentralen Macht im Nahen Osten und  damit  als Vertreter der USA etablieren können. Um Israel als politisch-militärischen Hauptvertreter der USA im Nahen Osten zu überholen, müssen die VAE zunächst eine Legitimation im Westen erreichen. Durch ihr Abkommen mit Israel hoffen sie, die israelische Opposition gegen den Kauf des von den USA hergestellten F-35-Tarnkappenjägers durch die VAE zu beseitigen.
 
Für Präsident Donald Trump ist das Abkommen zwischen den VAE und Israel Teil einer langfristigen Strategie (die bereits 2006 nach der Enttäuschung in den USA über das militärische Versagen Israels im Libanon begann), um neue strategische Verbündete in der Region zu suchen und sich nicht zu sehr auf Israel zu verlassen. Die US-Aggression gegen den Iran hat ein Bündnis regressiver und autoritärer Regime einschließlich Ägyptens und der Golfstaaten (vor allem Saudi-Arabien) gefestigt, dem Israel durch das Abkommen mit den VAE Legitimität zu verschaffen versucht. Kurz vor den Wahlen in den USA kann Trump das Abkommen zwischen Israel und den VAE nutzen, um sein anhaltendes Versagen bei der Förderung eines wirklichen Friedensprozesses zwischen Israel und den Palästinensern zu überdecken. Als er 2017 die Macht übernahm, versprach Trump, dort erfolgreich zu sein, wo alle vorherigen Präsidenten versagten, und Frieden in den Nahen Osten zu bringen. Anstatt Frieden zu schaffen, drängte er die VAE und Israel zur Bildung eines Militärbündnisses, was das Risiko für weitere Kriege in der Region nur noch erhöht.
 
Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever.
V. i. S. d. P. Prof. Dr. Rolf Verleger, BIP-Vorsitzender 


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Wöchentliche BIP-Empfehlungen:
 
Mariam Puvogel, Leiterin des medico-Büros für Israel und Palästina, veröffentlichte bereits im Juli einen sehr informativen Bericht über den Umgang mit Corona durch die Autoritäten im Westjordanland und die Situation der palästinensischen Bevölkerung
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Das Bündnis für Gerechtigkeit zwischen Israelis und Palästinensern e.V. (BIP) lädt ein zu einer Video-Konferenz am Donnerstag, 8. Oktober 2020, 19 Uhr MEZ, zum Thema:
 
„Die Annexion palästinensischen Landes geht weiter.
Wie reagieren die Palästinenser?“
 
Referentin: Dr. Bettina Marx, Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Ramallah
 
Auch ohne dass der offizielle Annexionsplan umgesetzt wird, schaffen Siedler und israelische Armee facts on the ground. Wie reagieren palästinensische Autonomiebehörde (PA) und Zivilgesellschaft? Zeigt sich eine Spaltung zwischen der PA und dem Widerstand an der Basis in den Dörfern?
Diesen Aspekten und Fragen wird Dr. Bettina Marx nachgehen. Sie leitet das HBS-Büro in Ramallah seit September 2015 und verfügt über langjährige Erfahrungen im Nahen Osten als Journalistin für die ARD und die Deutsche Welle. Sie ist ausgewiesene Expertin insbesondere für Fragen der innerpalästinensischen Politik und der Lage der Menschen vor Ort. Ihr Grund legendes Buch „Gaza. Berichte aus einem Land ohne Hoffnung“ aus dem Jahr 2009 unterstreicht ebenso wie zahlreiche Artikel in diversen Medien ihre große Kenntnis unterschiedlicher Aspekte der Situation im Nahen Osten. Für ihre Arbeit wurde sie 2015 durch die „Deutsche Initiative für den Nahen Osten“ mit einem Medienpreis ausgezeichnet.
Registrierung bei info@bip-jetzt.de
 

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