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Israelis und Palästinenser bereiten sich auf die neue US-Administration vor
Zusammenfassung: Der Sieg von Joe Biden und Kamala Harris wird tiefgreifende Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Israel und seinem engsten Verbündeten, den USA, haben. Obwohl Biden und Harris pro-israelische Positionen deutlich zum Ausdruck brachten, wird die unvermeidliche Folge von Trumps extrem israelfreundlicher Politik sein, dass die Israel/Palästina-Frage zwischen den Demokraten und den Republikanern, aber auch zwischen US-Juden und israelischen Juden zu großen Kontroversen führt.
 
Das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl hat eine lebhafte Debatte über die zu erwartende Politik der zukünftigen Biden/Harris-Regierung gegenüber dem Nahen Osten ausgelöst. Joe Biden selbst hat versprochen, den Staat Israel weiterhin eindeutig zu unterstützen, und in der Tat hat er sich während seiner Zeit als Vizepräsident anders als Präsident Obama dafür eingesetzt, den Staat Israel gegen Kritik am Bau illegaler Kolonien zu verteidigen. Dennoch bedeuten das veränderte Wahlergebnis in den USA und die politische Spaltung innerhalb der Demokratischen Partei in Bezug auf Israel, dass drastische Veränderungen in den trilateralen Beziehungen zwischen den USA, Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde zu erwarten sind – Veränderungen, die im Vergleich zur Trump-Administration sowohl gut als auch schlecht sein können.
 

Bidens Besuch bei Netanjahu in Israel im Jahr 2016. Quelle: U.S.-Botschaft in Israel, Wikipedia.
 
Der designierte Präsident Biden selbst gehört dem Mainstream des pro-israelischen Teils der Demokraten an. Er wurde innerhalb der Partei als gemäßigter Vertreter ausgewählt, um gegen Trump anzutreten. Dennoch gewann er die Wahl nur dank der progressiven Strömungen innerhalb der Partei: Sie waren es, die die Wähler massenhaft an die Wahlurnen brachten, indem sie sich als Alternative zu Trumps Rechtspopulismus darstellten. Trumps kompromisslos pro-israelische Politik umfasste die Anerkennung illegal annektierter Gebiete in Jerusalem und des syrischen Golan, die Streichung der Mittel für die Palästinensische Autonomiebehörde und die UNRWA sowie die Schließung der palästinensischen Mission in Washington. Trumps „Deal des Jahrhunderts“ bedeutete für die Palästinenser nichts anderes als eine dauerhafte Unterwerfung unter die israelische Herrschaft (siehe BIP-Aktuell #103). Sein Außenminister Mike Pompeo argumentierte, dass die Siedlungen im Westjordanland nicht illegal seien und kein Hindernis für den Frieden darstellen würden. Sein jetziger Besuch in den illegalen Kolonien des Westjordanlandes ist der erste derartige Besuch in der Geschichte und unterstreicht die Position der Trump-Regierung.
 
Indem Trump mit der Tradition der USA bricht, zumindest scheinbar den Richtlinien des Völkerrechts und der UNO zu folgen, hat er die Demokratische Partei unbewusst zu einer kritischeren Haltung gegenüber der israelischen Besatzung und der Apartheid bewegt. Denn auch Joe Biden und Kamala Harris hatten sich der AIPAC, der größten und einflussreichsten israelischen Lobbyorganisation in den USA, angebiedert und dem Staat Israel bedingungslose Unterstützung versprochen. Biden hat sich zwar in den 1970er und 1980er Jahren mit dem Apartheid-Regime Südafrikas auseinandergesetzt und es scharf kritisiert, hat aber nie gegen die israelische Apartheid Stellung bezogen. Kamala Harris als erste schwarze Vizepräsidentin unterstützt die Black Lives Matter-Bewegung gegen Rassismus, schweigt aber gegenüber dem israelischen Rassismus und gegenüber der Unterdrückung der Palästinenser. Der progressive Flügel der Partei unter dem Einfluss von Senator Bernie Sanders forderte, die US-Hilfe für Israel davon abhängig zu machen, dass Israel das Völkerrecht respektiert. Eine jüngere Generation demokratischer Politikerinnen unterstützt die BDS-Bewegung offen, darunter die Abgeordnete Alexandria Ocasio Cortez, die Kongressabgeordnete Cori Bush, die Kongressabgeordneten Ilhan Omar und Rashida Tlaib. Die Abgeordnete Betty McCollum gewann im September dieses Jahres den Preis für den Champion der palästinensischen Rechte.
 

Kamala Harris, die erste Farbige und  erste Frau, die Vizepräsidentin wird, Quelle: Gage Skidmore, 2019, Wikipedia.
 
Trump, selbst ein Antisemit, der in seinen öffentlichen Reden mehrfach antijüdische Positionen vertreten hat, hat seinen Gegnern wiederholt Antisemitismus vorgeworfen und die Solidarität mit dem palästinensischen Kampf gegen die Besatzung mit Antisemitismus gleichgesetzt. Gegen Ende seiner Amtszeit hat er seine Antisemitismus-Vorwürfe gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Oxfam, Human Rights Watch und Amnesty International ausgeweitet.
 
Diese Politik hat die amerikanischen Juden alarmiert: Sie legitimiere den Rassismus gegenüber Juden, solange sie sich jeder Kritik am Staat Israel enthalte. Nach dem Massaker in der Tree of Life-Synagoge in Pittsburgh im Oktober 2018 lehnte die örtliche Gemeinde Besuche sowohl von Mitgliedern der Trump-Administration als auch der israelischen Regierung ab. Trump und der israelische Minister Bennett kamen trotzdem. Die Gemeinde war entsetzt, als der israelische Botschafter in den USA, Ron Dremer, das Massaker ausnutzte, um gegen „linke Antisemiten“ zu polemisieren, obwohl das Massaker von einem rechten weißen Rassisten verübt wurde. Dieses Beispiel zeigt, wie sehr Trump und Netanjahu eine Kluft zwischen den amerikanischen Juden und den Juden in Israel geschaffen haben. Während Umfragen ergaben, dass mehr als 70% der jüdischen Israelis auf einen Trump-Sieg hofften, stimmten in den USA mehr als 80% der Juden für Biden. Nach einer Analyse des Haaretz-Journalisten Chemi Shalev gewann Biden in Philadelphia, Pennsylvania, Arizona und Georgia nur dank der jüdischen Gemeinden in diesen Staaten. Die jüdischen Stimmen in den USA haben zum ersten Mal in der US-Geschichte die Wahl gekippt.
 
Biden plant zum Iran Nuclear Deal (JCPOA) zurückzukehren, nachdem Trump sich im Mai 2018 auf Drängen Netanjahus einseitig aus dem Abkommen zurückgezogen hatte. Um Biden daran zu hindern, versucht Trump, die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran so weit wie möglich zu verschlechtern, bevor Biden vereidigt wird. Die Ermordung von Abu Muhammad al-Masri im Iran und die Beschuldigung, der Iran unterstütze al-Qaida, wird es Biden schwerer machen, dem Abkommen wieder beizutreten. Die Washington Post schreibt, dass das Attentat auf al-Masri von israelischen Spionen verübt wurde. Netanjahus politische Karriere in Israel basiert in starkem Maße auf der Panikmache gegenüber dem Iran. Er überzeugte viele Israelis, dass er seine persönlichen Verbindungen zu Präsident Trump nutzte, um die USA davon zu überzeugen, das Iran-Abkommen JCPOA zu kündigen. Wenn aber Biden zum Abkommen zurückkehren sollte, werden die Wähler in Israel dies als Fehlschlag der Politik Netanyahus gegenüber dem Iran interpretieren. Dies könnte ihn seine Position als Premierminister kosten.
 
Die israelische Regierung macht keinen Hehl daraus, dass sie vom Ausgang der Wahl in den USA sehr enttäuscht ist. Obwohl Netanjahu behauptete, er pflege auch gute Beziehungen zur Demokratischen Partei, klingt diese Behauptung hohl, nachdem Israel im August 2019 die Einreise zweier Kongressabgeordneter der Demokraten verboten hatte. Als Präsident Obama im November 2008 gewählt wurde, begann die israelische Regierung noch vor der Vereidigung Obamas eine Invasion in den Gazastreifen, die vom 27. Dezember 2008 bis zum 18. Januar 2009 dauerte und bei der fast 1.400 Palästinenser getötet wurden. Diese Politik der vollendeten Tatsachen zeigt sich jetzt auch in der Genehmigung des Baus und der Erweiterung illegaler Kolonien im Jerusalemer Gebiet der besetzten Westbank. 1.257 Häuser sollen um das palästinensische Dorf Beit Safafa herum gebaut werden, wodurch es vom Rest der Westbank abgeschnitten wird. Der Plan für diesen Bau wurde aufgrund des internationalen Drucks verzögert, ist aber jetzt genehmigt worden. Die Gebote für die Ausschreibungen zum Bau der illegalen Kolonie werden bis zum 18. Januar, zwei Tage vor der Vereidigung Bidens, angenommen – die Invasion „Gegossenes Blei“ in Gaza endete zwei Tage vor der Vereidigung Obamas.
 

Der illegale Bau von „Givat Hamatos“ zwischen den Kolonien Gilo und Har Homa wird Beit Safafa von Bethlehem trennen. Quelle: Givat Hamatos: Fragment der OCHA-Karte, 2014, Wikipedia
 
Nach Trumps Bemühungen, das palästinensische Volk zu demütigen, die israelische Besatzung zu unterstützen und die palästinensische Regierung in Ramallah zu schwächen, die nicht einmal an Trumps so genanntem „Deal des Jahrhunderts“ beteiligt war, wird Präsident Biden Gelegenheit haben, die Finanzierung der Palästinensischen Autonomiebehörde und der UNRWA wieder aufzunehmen und die palästinensische Mission in Washington wieder zu eröffnen. Die palästinensische Regierung und Präsident Mahmoud Abbas sind allerdings skeptisch, ob hier Optimismus gerechtfertigt ist. Während der Jahre von Bush und Obama nutzten die USA ihren Einfluss, um die Hamas-Partei zu isolieren, was viele Palästinenser, selbst diejenigen, die gegen die Hamas sind, als eine Verweigerung ihres demokratischen Rechts, ihre eigene Führung zu wählen, empfunden haben. Eine reale Möglichkeit besteht darin, dass die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen den USA und der palästinensischen Regierung davon abhängt, dass die Versöhnungsbemühungen zwischen der Fatah- und der Hamas-Partei gestoppt werden. Wenn die USA zu ihrer Politik zurückkehren und die Fatah, aber nicht die Hamas-Partei als legitim anerkennen, könnte dies die internen Spaltungen unter den Palästinensern vertiefen.
 
Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever.
V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand 

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