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Eine Straße im Zentrum von Hebron – was einst lebendiges Handelszentrum war, ist nun eine Geisterstadt (Foto: privat)

Es sei für sie die „Rückseite des Mondes“, sagte die Schriftstellerin Eva Menasse, als sie – nach zahlreichen Besuchen in Israel – erstmals im besetzten Westjordanland durch Hebron ging. Sie war zusammen mit anderen namhaften Autoren von dem amerikanischen Schriftsteller-Paar, dem Pulitzer-Preisträger Michael Chabon und der in Israel geborenen Ayelet Waldman, zu einer Autorenreise in die besetzten Gebiete eingeladen worden. Die beiden planen die Herausgabe eines Buches mit Essays berühmter Schriftsteller zum 50. Jahrestag der israelischen Besatzung. Im April 2016 berichtete Peter Münch im Kulturteil der Süddeutschen Zeitung von dieser Reise unter dem Titel Schockerlebnisse. Hier können Sie seinen Bericht nachlesen.



Versperrter Eingang zu einem palästinensischen Geschäft im Zentrum Hebrons (Foto: privat)

Traum und Albtraum

Viele Menschen in Deutschland fühlen sich aus verschiedenen Gründen sehr mit Israel verbunden. Manche haben jüdische Wurzeln, andere eine schuldbeladene Vergangenheit, die sie fast zwanghaft alles Israelische und Jüdische lieben und verklären lässt. Andere kommen aus Israel, haben in Deutschland ein neues oder ein Zwischen-Zuhause gefunden; wieder Andere haben aus beruflichen Gründen in Israel gelebt und konnten die schönen, angenehmen Seiten dieses Landes kennen lernen. Mittlerweile aber haben Viele Gelegenheit bekommen, die „andere Seite des Mondes“ kennenzulernen. Für die Meisten ist es ein erschütterndes Erwachen: Die Schattenseite des israelischen Traums von der freien, jüdischen, kämpferischen, solidarischen „einzigen Demokratie im Nahen Osten“ zeigt sich jenseits der Mauer und der Checkpoints als palästinensischer Albtraum.

Erfreulicherweise erwachen aber immer mehr Menschen aus der Schockstarre, in die sie oft nach dem Erlebten verfallen. Autoren schreiben, Journalisten berichten, Verlage publizieren, Zeitungen drucken, Fernsehsender zeigen das, wovor wir alle nicht mehr die Augen verschließen können und dürfen. „Wir haben Jahrzehntelang ausgeblendet, was nicht in unser Weltbild gepasst und was uns geängstigt hat“, sagte der Münchner Fotograf Wolfgang Strassl bei der Eröffnung seiner Ausstellung ‚Jerusalem – Unheilige Stadt‘ am vergangenen Samstag, dem 18.3.17 im Münchner Gasteig.

Das Hinschauen und Berichten mag ein schmerzlicher Prozess sein, aber er ist notwendig. Denn er ist die Voraussetzung dafür, dass sich etwas zum Besseren wendet. Dazu müssen die Realitäten beschrieben werden. Dazu müssen auch wir hier begreifen, dass sich etwas ändern muss in der Unverhältnismäßigkeit der Mittel und der Machtverteilung. Dazu brauchen wir Schriftsteller*innen wie Eva Menasse, die es trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer Verbundenheit zu Israel vermögen, uns die menschliche Dimension zwischen Besatzern und Besetzten spürbar zu machen.



Ausschnitt des Titels der Ausgabe DER SPIEGEL 2017/12

Hundert Kinder

Lesen Sie hier die Erzählung Hundert Kinder von Eva Menasse, erschienen am 18.03.17 in DER SPIEGEL 2017/12.


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2 Kommentare

  1. Aus den beiden Fotos kann man bereits den Horror erahnen, denen die Palästinenser in Hebron ausgesetzt sind. Hier ein paar Informationen darüber, wie alles in Hebron begann:
    Viele Menschenrechtler aus aller Welt, die in Hebron arbeiten, sagen über diesen Ort: Hebron is hell. Schneller als anderswo im besetzten Palästina greifen hier Soldaten und Siedler zur Waffe.
    Vor einigen Jahren wurden Drahtgitter über die Gassen gespannt, um den Unrat, den die Siedler aus ihren Häusern oberhalb der Shops nach unten warfen, aufzufangen. Sie sind jetzt überflüssig. Lediglich die Militärpatrouillen stören die gespenstische Ruhe.
    Den Händlern und Kunden droht in den meisten Gassen dasselbe Schicksal wie ihren Kollegen aus der Shuhada Street, zuvor die Hauptgeschäftsstrasse, in der sich über 500 Shops befanden. Am 24. Februar 1994 erschoss Baruch Goldstein, ein extremistischer Siedler aus der in der Nähe gelegenen Siedlung Kiryat Arba 29 Palästinenser, die sich in der Abraham-Moschee zum Gebet versammelt hatten, bevor Goldstein selbst getötet wurde. Am Nachmittag desselben Tages wurde die Shuhada Street für palästinensische Autos geschlossen. Nach dem Oslo-Abkommen wurde die Straße bis 1999 wieder geöffnet und die Stadt in zwei Teile unterteilt: H1 ist palästinensisch, H2 liegt in der Altstadt; etwa 850 Siedler leben hier und 30000 Palästinenser, denen das Betreten der Shuhada Street nicht möglich ist. H2 wird durch 2000 israelische Soldaten kontrolliert. Barrikaden und Checkpoints verhindern einen halbwegs störungsfreien Handel.

    In einem Interview mit Naomi Zeveloff antwortete der US-Autor Michael Chabon auf die Frage, wie er sich als Jude nach seinem Besuch in Hebron gefühlt habe:
    „As a Jew and someone who has felt connected both to Israel and also to the Old Testament narratives, it actually does mean something to me to be in Hebron, to be where supposedly Abraham, Sarah, Isaac, Jacob, Rebecca and Leah are all buried. From my point of view, to see that place being dishonored and made less sacred and less holy by the presence of this incredibly cruel and unjust machinery, some literal machinery and figurative machinery of oppression, it offends me.“

    Sucht man nach den Anfängen dieses Horrors für die Palästinenser in Hebron, so stößt man auf das Jahr 1968, als die israelische Regierung dem Rabbiner Levinger erlaubte, mit 33 Anhängern, die als Schweizer Touristen getarnt waren, in das Park-Hotel einzuziehen. Levinger hatte zuvor eine Zeitungsannonce aufgegeben, in der er Familien oder Einzelpersonen zur Wiederbesiedelung der Altstadt von Hebron suchte.
    Als sie sich im Hotel als Juden zu erkennen gaben, sagte Levinger zunächst, sie würden nur während des Pessach-Festes bleiben. Nach dem Fest verkündete der Rabbi jedoch, dass sie „bis zur Rückkehr des Messias“ in Hebron bleiben werden. Nach Verhandlungen mit der Regierung zogen sie schließlich nach Kirjat Arba ab.
    1974 gründete Levinger die außerparlamentarische Bewegung Gusch Emunim (Block der Getreuen). Sein Kommentar zum Massaker von Baruch Goldstein lautete: „Das Töten von Fremden ist akzeptabel und auch willkommen, um die jüdische Renaissance im versprochenen Land zu fördern.“

    In Dror Morehs Buch „The Gatekeepers“ schildert der damalige Geheimdienst-Chef (Shin Bet), Avraham Schalom, die Situation von 1968:
    „Die ersten Knospen des jüdischen Untergrunds habe ich bereits gesehen, als man dem Rabbiner Levinger erlaubte, mit seinen Anhängern in das Park-Hotel in Hebron einzuziehen. Wir beschlossen, sie von der arabischen Bevölkerung abzuschotten. Dann nahmen sie das Haus Hadassah in Besitz und dann ein anderes und dann noch eins, und dann sperrten sie die Straße, und ihre Kinder, jüdische Kinder, begannen, unsere Soldaten als Nazis zu beschimpfen. Denn die israelischen Soldaten zogen Zäune, um Juden und Araber voneinander zu trennen. (…) Einen Tag vorher hatten die Siedler Hebron zur ´Stadt der Väter` erklärt. Ich sagte: Leute, in dem Gebiet leben hunderttausend Araber und kein einziger Jude. Es geht nicht an, dass ein Volk das andere unterdrückt. Schade um all den Aufwand. Ich wurde bloß angestarrt, als sei ich verrückt geworden. Als würde ich die Glorie Israels beschmutzen. Seitdem habe ich meine Lektion gelernt.“

  2. In Haaretz vom 24.3.2017 ist ein Artikel über eine Hebron-Tour von „right-wing Israelis“ erschienen:
    The Right Angle: A Nationalist Group Takes Israelis on a Tour of Hebron
    Im Tirtzu has launched tours of the West Bank hot spot in an effort to counter what it calls the ‚delegitimization and lies‘ of left-wing tours of the city.
    read more: http://www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.779062?utm_content=%2Fisrael-news%2F.premium-1.779062&utm_medium=email&utm_source=smartfocus&utm_campaign=newsletter-daily

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