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Neue Erkenntnisse aus der CNN-Umfrage in Europa

Opposition gegen Israels Besatzungspolitik ist nicht gut – findet Israels Regierung.
Entsprechend erklären Freunde der israelischen Regierung: Hinter solcher Opposition verbirgt sich ein tiefsitzender Antisemitismus.
Solche Warnungen vor Antisemitismus sollen diejenigen beeindrucken, die aus Deutschlands Verbrechen in der Nazi-Zeit Konsequenzen für die Gegenwart ziehen möchten, und sollen sie davon abhalten, für die Menschenrechte der Palästinenser einzutreten.
Und so geistert mindestens einmal pro Woche irgendetwas zum Thema Antisemitismus durch die Medien. Vor rund zwei Monaten war dies eine von CNN in Auftrag gegebene Umfrage in sieben EU-Ländern. Einige Einzelergebnisse ohne Gesamtzusammenhang wurden medial verbreitet (z. B. auf ZEIT-online). Natürlich fand der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung die Ergebnisse „erschreckend“.

Wir haben uns diese CNN-Studie näher angesehen. Ihre Ergebnisse belegen:

  1. Negative Meinungen über Juden sind heutzutage nicht das wesentliche Problem gesellschaftlicher Stereotype über Minderheiten
  2. Negative Meinungen von Muslimen über Juden finden ihr Spiegelbild in negativen Meinungen von Juden über Muslime: Mangelnder Respekt ist eine Sache von Gegenseitigkeit
  3. Unterstützung von Israels Politik bedeutet nicht, dass Juden positiv gesehen werden. Im Gegenteil: In Ländern mit engen Beziehungen zu Israels Rechtsregierung sind Juden am wenigsten gut angesehen

Dazu im Folgenden Einzelheiten.
Diese vom Nachrichtenportal CNN beauftragte Studie wurde im September 2018 durchgeführt und im November 2018 auf der web site der britischen Umfragefirma veröffentlicht. Die grafische Darstellung der Daten haben wir vorgenommen.

Dies war eine online-Umfrage an 7000 Menschen: je 1000 aus sieben europäischen Ländern (Deutschland, Österreich, Frankreich, Großbritannien, Schweden, Polen, Ungarn). Gefragt wurde nach den Meinungen zu Christen, Nichtreligiösen, Muslimen, Juden, Roma, Immigranten, LGBT auf einer fünfstufigen Skala: sehr negativ, etwas negativ, weder noch, etwas positiv, sehr positiv.
Daher hat diese Studie zwei Vorzüge: 1) Es wurde nicht nur das Urteil über Juden erfragt, sondern auch über andere gesellschaftliche Gruppen. Daher hat man hier einen vernünftigen Vergleichsrahmen.  2) Es wurde nicht um den heißen Brei herumgeredet, sondern ganz direkt gefragt: „Wie ist Ihre Meinung zu“ (z.B.) „Juden“?
Hier nun die Ergebnisse zu den obigen drei Thesen.

1. Negative Meinungen über Juden sind heutzutage nicht das wesentliche Problem gesellschaftlicher Stereotype über Minderheiten

Die folgende Grafik (aus Tabelle 18 der Gesamtstichprobe) zeigt links den %-Satz der Befragten, die über die jeweilige Gruppe eine schlechte Meinung hatten („sehr negativ“ und „etwas negativ“), rechts den %-Satz derjenigen mit guter Meinung („sehr positiv“ und „etwas positiv“).  (Die Daten der guten und schlechten Meinung ergänzen sich nicht zu 100% – z. B. zu Christen nur zu ca. 60% – , weil hier der %-Satz derjenigen fehlt, die „weder noch“ wählten.)

Man sieht in der linken Grafik u.a.: Das schlechteste Image in den sieben EU-Ländern haben die Muslime, die Roma und die Immigranten: Sie werden von 35%-40% der Befragten abgelehnt. Weit dahinter LGBT (16%), Juden (10%), und dann Christen (5%), Nicht-Religiöse (3%). Für Deutschland alleine (s. Grafik weiter unten): 7% der Befragten hatten eine negative Meinung über Juden, also gerade mal 4% mehr als über Christen (3,5%), weniger als über LGBT (9%) und weit, weit weniger als über Muslime (32%), Immigranten (34%) und Roma (37%).
Wie in vielen anderen Umfragen (Zusammenfassung s. z. B. hier) zeigten sich negative Meinungen über Muslime viel häufiger als über Juden und bilden daher offensichtlich das weitaus größere gesellschaftliche Problem.

2. Negative Meinungen von Muslimen über Juden finden ihr Spiegelbild in negativen Meinungen von Juden über Muslime: Respekt ist eine Sache von Gegenseitigkeit

Von den 7000 Befragten stuften sich ca. 4400 als christlich ein, 165 als muslimisch und 34 als jüdisch. Die folgende Grafik (aus Tabellen 19-25 der Gesamtstichprobe) zeigt die Aufteilung der Meinungen nach Religion der Befragten.

Die rechte Grafik zeigt: Jede Gruppe findet sich selber gut, Christen die Christen, Muslime die Muslime (und die Immigranten), Juden die Juden.
Die linke Grafik zeigt: Christen finden vor allem Muslime, Roma und Immigranten schlecht. Sowohl Muslime als auch Juden haben nicht so starke negative Meinungen wie die christliche Mehrheitsbevölkerung, aber relativ schlecht finden Muslime LGBT und Roma und danach Juden und Nichtreligiöse. Juden dagegen finden Roma und Muslime schlecht und danach Immigranten und LGBT.
Kurz gesagt: Negative Meinungen von Muslimen über Juden (22%) sind genauso häufig wie negative Meinungen von Juden über Muslime (24%).

Selbstverständlich ist aber die Stichprobe von 34 Juden zu klein, um endgültige Aussagen zu treffen. Weitere Daten wären nötig.
Die jetzigen Daten besagen: Ein negatives Urteil über die andere Gruppe ist keine Besonderheit der Muslime. Bei dieser Sachlage ist fraglich, ob negative Einstellungen der muslimischen Bevölkerung über Juden durch spezielle pädagogische Maßnahmen behoben werden können. Wenn sie ein Spiegelbild der islamophoben Einstellung der übrigen Gesellschaft inklusive der Juden sind, dann werden sich beide Einstellungen vielleicht nur gemeinsam und symmetrisch reduzieren lassen: Respekt ist keine Einbahnstraße.
Die nachhaltigste Methode, den inneren Frieden zwischen Muslimen, Juden und Mehrheitsbevölkerung in den westlichen Gesellschaften zu wahren, wäre in diesem Sinne wahrscheinlich, eine gerechte Lösung des Israel-Palästina-Konflikts anzustreben.

3. Unterstützung von Israels Politik bedeutet nicht, dass Juden positiv gesehen werden.

Die folgende Grafik (aus Tabellen 18 der Daten für die einzelnen Länder) teilt die Antworten nach den sieben beteiligten Ländern auf: Deutschland, Österreich, Frankreich, Großbritannien, Schweden, Polen, Ungarn (D, Ö, F, GB, S, PL, U).

Man sieht: In allen sieben Ländern gibt es kaum schlechte Meinungen über Christen und Nichtreligiöse. Abgesehen davon zeigen sich ähnliche Profile in den Urteilen über die Gruppen, aber doch auch beträchtliche Schwankungen im absoluten Wert der Urteile. Ungarn zeigt sich als das Land mit den meisten negativen und wenigsten positiven Urteilen über Minderheiten. Dies ist am deutlichsten bei Urteilen über LGBT, aber auch bei Urteilen über Juden: Das Urteil über Juden ist in Ungarn am wenigsten positiv und in Schweden am positivsten.
Dieses Ergebnis ist interessant, denn Israels Ministerpräsident hat ein freundschaftliches Verhältnis zu Ungarns Regierung und ein sehr angespanntes Verhältnis zu Schwedens Regierung. Begründet wird das von Israels Regierung natürlich mit dem üblichen Vorwurf des Antisemitismus, aber die Umfragedaten belegen den Verdacht, dass es genau andersherum ist: Netanjahu und Orban sind sich einig im Ressentiment gegen Muslime und Flüchtlinge und im antisemitisch unterlegten Ressentiment gegen George Soros, und so findet auch Orbans rassistische Propaganda ihren Widerhall in der ungarischen Bevölkerung. Dagegen hat Schweden aus menschenrechtlichen Motiven heraus Palästina als Staat anerkannt, und genau diese menschenrechtliche Einstellung erregt den Zorn von Israels Regierung auf Schweden.

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