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Verleihung des Friedenspreises am 9. März ohne Beteiligung von Stadt, Universität und Sparkasse

Die Stiftung Dr. Roland Röhl vergibt seit 1999 jährlich den Göttinger Friedenspreis „an Einzelpersonen oder Personengruppen, die sich durch grundlegende wissenschaftliche Arbeit oder durch herausragenden praktischen Einsatz um den Frieden besonders verdient gemacht haben“. Unter den Preisträgern sind die Gesellschaft für bedrohte Völker (2003), Pro Asyl (2010), der SPD-Politiker Egon Bahr (2008), der Soziologe Wilhelm Heitmeyer (2012) und 2018 Konstantin Wecker und die Zeitschrift Wissenschaft & Frieden.
Am 4. Februar 2019 gab die Stiftung bekannt, der Preis gehe in diesem Jahr an die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V., deutscher Ableger der European Jews for a Just Peace.

Gegen diese Entscheidung erfolgten Proteste mit Sprachregelungen, die aus anderen Städten bekannt sind, in denen Veranstaltungen zu Israel/Palästina be- oder verhindert  wurden. Der Zentralrat der Juden in Deutschland protestierte mit der Begründung, die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost unterstütze die Boykottbewegung BDS. Dem schlossen sich mehrere Göttinger FDP-Politiker*innen an: eine Vereinigung aus dem Spektrum des „antisemitischen BDS“ dürfe nicht mit einem Friedenspreis geehrt werden. Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, nannte die Entscheidung „völlig verfehlt“.

Die Reaktion des Oberbürgermeisters der Stadt Göttingen Rolf-Georg Köhler und der Präsidentin der Universität Göttingen Prof. Ulrike Beisiegel (beide Kuratoriumsmitglieder der Stiftung): Köhler empfahl, die Preisverleihung auszusetzen, um einen möglichen Reputationsverlust der Stiftung und des Preises zu vermeiden. Insbesondere sei der Antisemitismusvorwurf „vor allem in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der BDS-Bewegung, eindeutig auszuräumen oder andernfalls von der Preisverleihung abzusehen“. Fast wortgleich schloss sich Beisiegel der Position Köhlers an. Rückendeckung bekamen die Kuratoriumsmitglieder von der Sparkasse Göttingen als Unterstützer des Friedenspreises.

Da die Jury (Vorsitz Andreas Zumach, selbst Preisträger 2009 sowie Autor der taz) zu ihrer Entscheidung stand, zogen alle drei Kuratoriumsmitglieder ihre Unterstützung der Vergabe des Göttinger Friedenspreises an die Jüdische Stimme zurück. Städtische Räume, einschl. des Deutschen Theaters, und sämtliche Räume der Universität stehen daher für die Preisverleihung nicht zur Verfügung.

Dieses Jahr wird der Göttinger Friedenspreis nicht in der Aula verliehen (links), sondern am 9.3. in der Alten Feuerwache (rechts)

 

Der Vorsitzende der Jury Andreas Zumach hat ausführlich zu den Falschbehauptungen, Verleumdungen und Rufmord gegen die Jüdische Stimme Stellung genommen.
Darüber hinaus gab es über 150 Stellungnahmen von Personen und Organisationen aus dem In- und Ausland.

Wir dokumentieren hier im Wortlaut die Stellungnahme unseres Gründungsmitglieds Nirit Sommerfeld – sie wird die Laudatio bei der Preisverleihung am 9. März halten – sowie die Stellungnahme unseres Vorstands.
Weitere Stellungnahmen, u.a. der Professoren Heitmeyer (Bielefeld), Ambos (Göttingen), Jooss (Göttingen) finden Sie als pdf-Datei hier. Offene Briefe von Ruth Fruchtman, Deborah Phillips, Rolf Verleger an den Zentralratsvorsitzenden finden Sie hier, und den Offenen Brief von Prof. Fanny Reisin an die Universitätspräsidentin hier.

Nirit Sommerfeld, deutsch-israelische Künstlerin, Gründungsmitglied von SISO (Save Israel, Stop the Occupation) und BIB (Bündnis zur Beendigung der israelischen Besatzung) in einem offenen Brief an den Oberbürgermeister, die Präsidentin der Universität und die Sparkasse Göttingen:
„Sie wollen den Antisemitismus-Verdacht, der gegen die Jüdische Stimme erhoben wurde, eindeutig ausräumen? Gut so — wenn Sie Ihre Augen, Ihren Verstand und Ihr Herz öffnen, tief durchatmen und genau hinsehen, sollte das keine fünf Minuten dauern.
Merken Sie gar nicht, dass Sie Leuten auf den Leim gehen, die ganz anderes im Schilde führen, als wirklichen Antisemitismus zu bekämpfen?! Merken Sie nicht, dass alle Anstrengungen, die in die Richtung gehen, die Jüdische Stimme unter Antisemitismus-Verdacht zu stellen, in Wirklichkeit verhindern wollen, dass Kritik an der israelischen (nicht jüdischen!) Besatzungspolitik stumm gehalten wird?
Ich habe die Ehre, die Laudatio bei der Preisvergabe an die Jüdische Stimme zu halten. Ich selbst bin in Israel geboren, bin Tochter eines deutschen Holocaust-Überlebenden und einer seit Generationen in Jerusalem ansässigen jüdisch-arabischen Familie. Ich sitze gerade Shiva in der Wohnung meiner vor wenigen Tage verstorbenen Mutter — ’Shiva’ ist die siebentägige Trauerzeit, die Juden traditionell im Hause der Verstorbenen verbringen. Ich mache mir hier Gedanken über die Worte, die ich für die Laudatio wählen will, um den Anwesenden zu erklären, warum es so wichtig ist, dass gerade Juden gegen Unrecht, gegen Gewalt und Besatzung, für gleiche Rechte unter allen Menschen, für Gerechtigkeit und für das bedingungslose NIE WIEDER! einzustehen, das wir nach dem Zivilisationsbruch, der großen Katastrophe des Holocaust erleben mussten. Für diesen Mut, für dieses Einstehen, für diesen Versöhnungswillen, für diesen Kampfgeist gegen alle Widerstände soll die Jüdische Stimme in Göttingen geehrt werden. DAS HAT MIT JÜDISCHEN WERTEN ZU TUN. Wollen Sie, deutsche Nicht-Juden, uns eines Besseren belehren?!
Ist Ihnen eigentlich klar, welche Ungeheuerlichkeit hier geschieht, in dem SIE ALS DEUTSCHE UNS JUDEN HIER IN DEUTSCHLAND ANTISEMITISMUS UNTERSTELLEN??? Ist Ihnen klar, welche Grenzen hier überschritten werden, welche Ehrverletzung hier stattfindet? Ist Ihnen klar, wie Sie als Deutsche mit Ihrem Erbe uns als Juden in Deutschland mit unserem Erbe diffamieren?! Ist Ihnen wirklich klar, was hier geschieht???
Sie, meine Dame, meine Herren, werden hier instrumentalisiert, um eine Preisverleihung zu verhindern und damit jüdische Menschen mundtot zu machen, die — weil es sie EXISTENTIELL ETWAS ANGEHT — gegen eine rechtsgerichtete, rassistische, kriegführende Regierung kämpfen, und zwar AUSSCHLIESSLICH MIT GEWALTFREIEN, LEGITIMEN MITTELN! Ob man Boykotte und Sanktionen mag oder nicht, darüber kann man diskutieren, das ist hier aber vollkommen nebensächlich. Doch dieser Nebenschauplatz eignet sich trefflich, um Sie ins Boot derer zu holen, die Sie dahingehend manipulieren wollen, damit Kritik an israelischer Besatzungspolitik verhindert wird.“

Der Vorstand des Bündnis zur Beendigung der israelischen Besatzung e.V. (BIB):
„Unserem Bündnis gehören Bürgerinnen und Bürger jüdischer, arabischer und deutscher Herkunft an. Wir fordern in Übereinstimmung mit den Menschenrechten und dem Völkerrecht die Beendigung der seit 51 Jahren andauernden völkerrechtswidrigen Besatzung Palästinas.
Es ehrt die Stadt Göttingen und besonders die Universität Göttingen mit ihrer freiheitlichen Tradition, wenn der Göttinger Friedenspreis an die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V. verliehen wird. Dieser Verein fordert zusammen mit anderen jüdischen Organisationen wie Jewish Voice for Peace (USA), Jews for Justice for Palestinians (UK) sowie mit weiteren mehr als 40 jüdischen Organisationen einen Stopp des völkerrechtswidrigen Siedlungsbaus und eine Beendigung der israelischen Besatzung. All diese Gruppen treten für einen gerechten Frieden ein, bei dem die völkerrechtlich verbindlichen UN-Resolutionen (z.B. 242, 2334) beachtet werden.
Wenn jüdische Organisationen sowohl im Staat Israel als auch in der jüdischen Diaspora für eine andere israelische Politik eintreten, sollte dies in Deutschland aufhorchen lassen, anstatt sie mundtot machen zu wollen, wie jetzt Göttinger Kommunalpolitikerinnen und der Präsident des Zentralrats der Juden versuchen.
Würde der Staat Israel sich an den Menschenrechten und am Völkerrecht orientieren und die deutsche Politik wirksam für deren Durchsetzung eintreten, bräuchte es keine BDS-Bewegung, wie sie von diesen jüdischen Organisationen, auch von der Jüdischen Stimme, befürwortet wird.
Uns ist bekannt, dass die Bundesregierung und der Bundestag die BDS-Bewegung für antisemitisch erklärten. Dies führt zu der absurden Situation, dass Juden und jüdischen Organisationen Antisemitismus vorgeworfen wird. Wir halten es für anmaßend und unerträglich, wenn sich Nichtjuden anmaßen, einer jüdischen Organisation Antisemitismus vorzuwerfen.
Das Bündnis zur Beendigung der israelischen Besatzung e.V. tritt nicht für BDS ein, respektiert jedoch die Gruppen und Personen, die dieses gewaltfreie Mittel für sich in Anspruch nehmen.
Wer sich wirklich mit der BDS-Bewegung befasst und sich nicht von Verlautbarungen leiten lässt, die bestimmte politische Interessen vertreten, wird feststellen, dass sie sich – anders als ihre Kritiker – im Rahmen des Völkerrechts bewegt.
Die Bank für Sozialwirtschaft hatte das Konto der Jüdischen Stimme vorübergehend gekündigt, sich dann aber eines Besseren belehren lassen. Wenn Sie nun in dieselbe Falle eines ungerechtfertigten Antisemitismusvorwurfs gegen die Jüdische Stimme für gerechten Frieden treten würden, wäre dies völlig unverständlich.
Mit freundlichen Grüßen
Vorstand des Bündnis zur Beendigung der israelischen Besatzung e.V.
Prof. Dr. Rolf Verleger, Dr. Martin Breidert, Dr. Götz Schindler“

Wer plant, an der Verleihfeier (9.3., 12h, Alte Feuerwache, Ritterplan 4, Göttingen) teilzunehmen, sollte bitte umgehend eine E-Mail an das Organisationskommittee senden anmeldung@goettinger-friedenspreis.de, mit Kopie an zumach@taz.de

Freie Plätze können nicht garantiert werden. Je früher Sie an der Alten Feuerwache eintreffen (Einlass ab 10:45h), desto größer die Chance. Die Verleihfeier wird vollständig per Video aufgenommen und wird am Sonntag, 10.3. im Internet  auf Youtube eingestellt unter dem Stichwort „Göttinger Friedenspreis für Jüdische Stimme“

Die Finanzierung der Verleihfeier ist gesichert dank der großartigen Resonanz auf Andreas Zumachs Spendenapell vom 20. Februar. Über 260 Menschen haben gespendet.

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