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Mehr als hundert getötete Palästinenser in diesem Jahr im Westjordanland

Die israelische Armee führt im gesamten besetzten Westjordanland eine groß angelegte Operation durch, um den palästinensischen Widerstand zu brechen. In diesem Jahr wurden mehr Palästinenser getötet als in den letzten sieben Jahren. Da die Palästinensische Autonomiebehörde nicht in der Lage und nicht willens ist, den Aufstand zu beenden, ist ihre künftige Existenz ungewiss. Die israelische Regierung ist mit den bevorstehenden Wahlen beschäftigt und nicht an langfristigen Lösungen interessiert. In diesem politischen Vakuum wenden die Soldaten nach Belieben exzessive Gewalt an.

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Mehr als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen starten eine Kampagne zur Sammlung von einer Million Unterschriften von EU-Bürger*innen, um den europäischen Handel mit illegalen Siedlungen in besetzten Gebieten zu beenden.
Die Europäische Bürgerinitiative ist ein offizielles Instrument, um die Stimmen der EU-Bürger zu verstärken und ihre demokratische Beteiligung zu verbessern. Wenn die Initiative innerhalb eines Jahres nach ihrem Start eine Million Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern in allen EU-Mitgliedstaaten sammelt, ist die Europäische Kommission gesetzlich verpflichtet, den Vorschlag zu prüfen, mit den Unterzeichnern zu diskutieren und gesetzgeberische Maßnahmen einzuleiten.
Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) unterliegt EU-Regularien:  https://www.cidse.org/de/2022/04/07/take-action-to-end-european-trade-with-illegal-settlements/
Hier kann man teilnehmen.
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Seit mehr als sechs Monaten nehmen die Konfrontationen und Tötungen im Westjordanland zu. Das israelische Militär griff palästinensische Gemeinden im Rahmen einer kollektiven Bestrafung an als Vergeltung für sieben Angriffe von Palästinensern mit Messern, Äxten und Gewehren, bei denen zwischen März und Mai insgesamt neunzehn Menschen (siehe BIP-Aktuell #213), darunter vier bewaffnete israelische Sicherheitskräfte und fünfzehn unbewaffnete Zivilisten, getötet wurden. Israelische Streitkräfte haben in diesem Jahr mehr als 100 Palästinenser getötet, fast alle von ihnen unbewaffnete Zivilisten. Unter den Opfern sind der 16-jährige Amjad Abu Alya, der 12-jährige Mahmoud Mohammad Khalil Samoudi und die bekannte Journalistin Shireen Abu Akleh (siehe BIP-Aktuell #218). Der 7-jährige Rayan Souliman, der aus Angst starb, als Soldaten ihn verfolgten und in sein Haus eindrangen, ist in dieser Liste nicht enthalten, da die Soldaten ihn nicht direkt getötet haben. Obwohl das Jahr 2022 noch nicht vorbei ist, wurden in diesem Jahr mehr Palästinenser getötet als in jedem anderen der letzten sieben Jahre.

Am vergangenen Wochenende wurden innerhalb von 24 Stunden vier Palästinenser im Westjordanland getötet. Adel Ibrahim Daoud, 14, wurde in der Nähe der Trennmauer in Qalqilya in den Kopf geschossen, während Mahdi Ladadweh, 17, von Soldaten nordwestlich von Ramallah in die Brust geschossen und getötet wurde. Mahmoud Assos, 18, und Ahmed Daragma, 16, wurden am Samstagmorgen bei einer großen Razzia der Armee im Flüchtlingslager Jenin durch israelische Schüsse getötet. Quelle: 2022, Twitter.

Die israelische Gewalt konzentriert sich auf die Stadt und das Flüchtlingslager von Jenin. Vor zwanzig Jahren drangen israelische Streitkräfte im Rahmen der Operation Defensivschild in Jenin ein und töteten 52 Palästinenser. Die Stadt wurde zu einem Symbol für den palästinensischen Widerstand gegen die israelische Besatzung, und es war dort, wo ein israelischer Scharfschütze die Al-Jazeera-Journalistin Shireen Abu-Akleh ermordete (siehe BIP-Aktuell #219).

Wie immer in Zeiten der Gewalteskalation wird unter Palästinensern und Israelis über die Möglichkeit einer weiteren Intifada (was auf Arabisch „abschütteln“ bedeutet) gesprochen. Die erste Intifada brach 1987 aus, also zwanzig Jahre nach der Besetzung des Westjordanlandes und des Gazastreifens, die zweite Intifada im Jahr 2000. Nun, da mehr als zwanzig weitere Jahre vergangen sind, vermuten Analysten, dass sich eine junge Generation von Palästinensern verpflichtet fühlt, zu beweisen, dass sie alles getan hat, um ihre Freiheit zu erlangen. Sie meint, damit mehr erreicht zu haben als ihre Eltern und Großeltern.

Im Gegensatz zu den vorangegangenen Intifadas hat sich die Meinung der Weltöffentlichkeit über Palästina jedoch gewandelt. Die ukrainischen Streitkräfte, die gegen die russische Armee kämpfen, werden im Westen als Helden gepriesen. Wie können also Palästinenser, die gegen eine Besatzungsarmee kämpfen, als etwas anderes angesehen werden?

Am 4. September griffen Palästinenser ein Militärfahrzeug mit Molotowcocktails an und verletzten sieben Soldaten; die israelischen Medien meldeten den Angriff als „Terroranschlag“ (Quelle auf Hebräischund ignorierten dabei die Tatsache, dass die Palästinenser dabei nicht israelische Zivilisten, sondern Soldaten angriffen, die in ihr Land einmarschiert waren. Ein Palästinenser aus Nablus, Mohammed Minawi, wurde mit Waffengewalt verhaftet und betonte in seinem Verhör, er habe auf eine Gelegenheit gewartet, um Soldaten, nicht aber Zivilisten, anzugreifen. Der israelische ultraorthodoxe jüdische Journalist Israel Frei twitterte, Minawi sei ein „Held“, weil er sich geopfert habe; er sei nur bereit gewesen, gegen bewaffnete israelische Soldaten zu kämpfen. Frei wurde von DemocraTV entlassen, bei dem er angestellt war, obwohl DemocraTV behauptet, ein progressiver Sender zu sein (Quelle auf Hebräisch).

Das israelische Militär trifft keine juristischen Maßnahmen gegen die tödlichen Angriffe der Soldaten gegen wehrlose Palästinenser, weil es angeblich politische Zwänge gibt. Dabei hat das Militär Angst vor Ungehorsam unter den Soldaten, wenn die ungesetzliche Tötung von Palästinensern von den Behörden untersucht wird und strafrechtliche Konsequenzen drohen. Keiner der Soldaten, die ihre Waffen auf palästinensische Zivilisten gerichtet haben, ist bestraft worden, nicht einmal der Scharfschütze, der Shireen Abu-Akleh ermordet hat. Es ist nicht zu erwarten, dass sich das ändert, denn Verteidigungsminister Gantz hat einen neuen Oberbefehlshaber des israelischen Militärs ernannt, Herzi Halevy, den ersten Militärkommandanten, der ein religiöser Siedler ist. Gantz hat diese Ernennung vorgenommen, um bei den bevorstehenden Wahlen rechte Wähler aus dem Netanjahu-Lager anzulocken, aber den Preis für diese Entscheidung werden Palästinenser mit ihrem Leben bezahlen.


Die eskalierende Gewalt gegen Palästinenser kann nicht in der israelischen Strategie zur Kontrolle des Westjordanlandes gesehen werden, sondern vielmehr im Scheitern dieser Strategie. Die israelische Regierung verlässt sich darauf, dass die Palästinensische Autonomiebehörde in ihrem Namen die Ordnung im Westjordanland aufrechterhält, verkennt aber, dass die Legitimität der Palästinensischen Autonomiebehörde sich insbesondere dadurch auf einem historischen Tiefstand befindet: Die Anordnung an palästinensische Polizeibeamte, Demonstranten gegen die israelische Besatzung zu verhaften, vor allem in Jenin, wo diese Demonstrationen besonders symbolträchtig sind, könnte den völligen Zusammenbruch der Palästinensischen Autonomiebehörde bewirken.

Der neue Oberbefehlshaber des israelischen Militärs Herzi Halevy. Quelle: 2020, Wikipedia.

Die israelische Regierung ist sich bewusst, dass die Krise unkontrollierbar werden könnte und will das alte System der Kontrolle durch einen Militärgouverneur, das bereits vor der Palästinensischen Autonomiebehörde bestand, nicht wieder einführen, aber die innenpolitische Krise in Israel lähmt die Regierung. Im Moment gibt es nur wenige echte Möglichkeiten für eine Befriedung: Erstens eine strafrechtliche Verfolgung von Soldaten, die Palästinenser getötet haben, zweitens eine Entschädigung palästinensischer Familien, drittens den Bau illegaler Siedlungen zu stoppen und viertens die Beendigung der ethnischen Säuberungen in Masafer Yatta (siehe BIP-Aktuell #217), Sheikh Jarrah (siehe BIP-Aktuell #194) und in der Negev-Wüste (siehe BIP-Aktuell #202). All diese Maßnahmen sind jedoch für israelische Politiker, die die kommenden Wahlen am 1. November gewinnen wollen, unmöglich. Jeder Akt des Mitgefühls oder der Rücksichtnahme vor der Wahl wird den Politiker als unpatriotischen „Araberliebhaber“ brandmarken.

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Eine neue Folge des BIP-Gesprächs ist da. Diese Woche sprechen wir mit Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit, einem Mitglied des BIP.
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BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden. Diese Woche beschränkt sich BIP Aktuell ausnameweise auf einen übersetzten Text aus dem 972 Magazine.

18-jähriger Palästinenser von der Armee getötet – Palästinenser in Ostjerusalem rufen zum Generalstreik auf

„Ein Palästinenser wurde am Mittwochnachmittag im Flüchtlingslager Al-Aroub bei Bethlehem durch israelisches Militärfeuer getötet, wie das palästinensische Gesundheitsministerium mitteilte. Bei dem Verstorbenen handelt es sich um den 18-jährigen Mahmoud Adwai, einen Bewohner des Lagers.
Zwei weitere Palästinenser wurden Berichten zufolge bei Zusammenstößen in der Nähe von Ramallah schwer verletzt, und im Isawiyah-Gebiet in Ostjerusalem wurden Steine auf israelische Streitkräfte geworfen. Die Streitkräfte antworteten mit Betäubungsgranaten.
In den vergangenen Nächten patrouillierte die israelische Polizei in den Straßen des Flüchtlingslagers Shoafat auf der Suche nach Adi Tamimi, dem Verdächtigen der Schießerei am Kontrollpunkt auf den israelischen Soldaten Noa Lazar im Nordosten Jerusalems am vergangenen Samstagabend, und nahm dessen Familienmitglieder sowie weitere Verdächtige fest.
Bewohner des Lagers gerieten mit den Soldaten aneinander und bewarfen sie mit Feuerwerkskörpern; die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschosse ein.
Nach der Schießerei am Kontrollpunkt blockierten die israelischen Streitkräfte die Ausgänge des Lagers und hinderten Zehntausende von Palästinensern daran, zum Arbeiten nach Jerusalem zu kommen. Die Bewohner des Lagers, von denen die meisten einen israelischen Ausweis besitzen, behaupteten, dies sei eine Form der kollektiven Bestrafung. Die Polizei öffnete die Kontrollpunkte am Dienstag, führte jedoch strenge Sicherheitskontrollen durch, was die Durchfahrt erschwerte und zu extrem langen Schlangen führte.
Die Palästinenser in Ostjerusalem begannen am Mittwoch einen Generalstreik, um gegen das harte Vorgehen zu protestieren. Schulen und Geschäfte in ganz Ostjerusalem, auch in der Altstadt, blieben geschlossen. Einige Demonstranten blockierten Straßen und verbrannten Autoreifen. Der Streik wurde nicht vollständig eingehalten, einige Geschäfte blieben geöffnet. Das israelische Verkehrsministerium kündigte an, dass der Verkehr von und nach der Hauptstadt beeinträchtigt sein wird, da mehrere palästinensische Busfahrer beschlossen haben, wegen der strengen Sicherheitskontrollen nicht zur Arbeit zu kommen.
Die israelische Armee sperrte am Mittwochmorgen auch alle Eingänge zur Stadt Nablus im Westjordanland, wobei sie den Durchgang nur auf drei Stellen beschränkte und eine Sicherheitskontrolle verlangte. Die Entscheidung, die Eingänge zu sperren, beruht auf der Einschätzung der Armee, dass die meisten der für die jüngsten Schießereien im Westjordanland verantwortlichen Personen aus der Stadt stammen und anschließend dorthin geflohen sind.

Die in Nablus ansässige Organisation „Höhle des Löwen“, der Hunderte von Jugendlichen aus verschiedenen palästinensischen Organisationen angehören, übernahm die Verantwortung für die Schießerei und erklärte, dies sei erst der Anfang der „Tage der Wut“.“

https://www.haaretz.com/israel-news/2022-10-12/ty-article/.premium/18-year-old-palestinian-reportedly-killed-by-israeli-forces-near-bethlehem/00000183-ccc0-da47-abcb-fcc73f930000

Israel führt einen unerklärten Krieg gegen Palästina

„Allein in der vergangenen Woche hat das israelische Militär mindestens fünf Kinder und Teenager getötet, 120.000 Palästinenser in Flüchtlingslagern in Ost-Jerusalem belagert und daran gehindert, dringend benötigte medizinische Versorgung oder grundlegende medizinische Güter zu erhalten, ist jede Nacht in Städte im gesamten Westjordanland eingedrungen, insbesondere in Nablus, Jenin und Ramallah, hat Siedlern die Möglichkeit gegeben, die palästinensische Olivenernte zu überfallen sowie die Palästinenser weiterhin von ihrem Land in Masafer Yatta und den südlichen Hebron-Hügeln vertrieben.
In den Mainstream-Medien, die sich viel mehr auf die Ermordung zweier israelischer Soldaten konzentrieren, ist davon jedoch kaum etwas zu lesen. Es ist wichtig, sich den Kontext der Geschehnisse vor Augen zu halten:
800 palästinensische politische Gefangene werden derzeit ohne Anklage festgehalten, mindestens 20 von ihnen befinden sich im Hungerstreik.
Über 165 Palästinenser wurden in diesem Jahr im Westjordanland und in Ostjerusalem vom israelischen Militär getötet.
Vor zwei Monaten wurden bei israelischen Luftangriffen 50 Menschen in Gaza getötet, darunter 17 Kinder.
Im vergangenen Mai töteten israelische Scharfschützen die angesehene palästinensische Reporterin Shireen Abu Akleh.
Während all dieser Ereignisse hat die US-Regierung ihre einseitige Unterstützung der israelischen Regierung fortgesetzt.
Wir befinden uns in einem Krieg, der sich vor unseren Augen abspielt. Die Bedingungen vor Ort können nicht ewig so bleiben, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie eskalieren. Unsere Stimmen werden gebraucht werden. Wir sollten darauf vorbereitet sein, sie zu nutzen.“ https://www.972mag.com/jenin-refugee-camp-armed-resistance/?sourceid=1001761&emci=dc9c7b4f-b949-ed11-b495-002248258d38&emdi=29209ec0-574a-ed11-b495-002248258d38&ceid=297220

Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.

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