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Neue Vorschriften schreiben vor, wie oft palästinensische Bauern ihre Felder betreten dürfen.

Zusammenfassung: Bauern im besetzten Westjordanland, die durch die Sperranlage von ihrem Land nur in der ´Saumzone´ abgeschnitten sind, dürfen ihr Land durch einen „landwirtschaftlichen Kontrollpunkt“ mit einer Genehmigung der israelischen Militärbehörden betreten. Neue verschärfte Zugangsregeln schränken diese Möglichkeiten weiter ein.

In der vergangenen Woche hat Israel verschärfte Regelungen für palästinensische Bauern erlassen, deren Felder in der ´Saumzone´ („seam zone“) zwischen der Waffenstillstandslinie von 1949 („Grüne Linie“) und der seit 2002 errichteten Sperranlage auf dem Gebiet des 1967 eroberten Westjordanlands liegen. Wie Haaretz berichtet, orientiert sich die Erteilung einer Genehmigung (´permit´), die sie benötigen, wenn sie ihre Felder bearbeiten wollen, neuerdings an „der Möglichkeit, landwirtschaftliche Flächen auf der Grundlage der landwirtschaftlichen Bedürfnisse zu bearbeiten, die sich aus der Größe des Grundstücks und der Art der Erzeugnisse ergeben.“ Wie oft ein Bauer auf sein Land darf, wird entsprechend der dort angebauten Kulturen begrenzt, z.B. maximal 40 mal pro Jahr für Oliven und Zwiebeln, 50 mal für Feigen und 220 mal für Tomaten oder Erdbeeren. Hat ein Landwirt seine Quote ausgeschöpft, muss er eine neue Genehmigung beantragen, die nur erteilt wird, wenn er nachweisen kann, dass er seine landwirtschaftliche Tätigkeit nicht beenden konnte – eine neue bürokratische Hürde für die palästinensischen Bauern.


Foto: Landwirtschaftlicher Kontrollpunkt bei Jayyous

Was ist die ´Saumzone´? Sie ist der Teil des Westjordanlands, der zwischen Waffenstillstandslinie von 1949 und der Sperranlage liegt. Da sich 85% der Sperranlage innerhalb des Westjordanlandes befinden, handelt es sich hier um palästinensisches Land, d.h. faktisch wurde das palästinensische Land zwischen der Waffenstillstandslinie und der Sperranlage von Israel annektiert.

Die ´Saumzone´ macht 9,4% des palästinensischen Territoriums aus. Die in diesem Gebiet lebenden Palästinenser sind vom Rest des Westjordanlandes getrennt. Sie müssen bei der israelischen Zivilverwaltung eine „Permanent Resident ID“ beantragen, um auf ihrem eigenen Land bleiben zu dürfen.

Ihre Bewegungen werden durch den Einsatz von Kontrollpunkten streng kontrolliert, was alle täglichen Aktivitäten beeinträchtigt und ihre Lebensqualität stark beeinträchtigt. Derzeit gibt es 101 verschiedene Arten von Genehmigungen zur „Steuerung“ der palästinensischen Bewegungsfreiheit. Die Beschränkun-gen legen die lokale palästinensische Wirtschaft lahm und haben zunehmende Armut zur Folge, was durch unzureichende oder nicht vorhandene Gesundheits-, Bildungs- und Sanitäreinrichtungen noch verstärkt wird. Dies betrifft nicht nur die Palästinenser in den ‚Saumzonen‘. Die Weltbank schätzt, dass 170.000 palästinensische Einwohner des Westjordanlandes direkt und indirekt betroffen sind, die entweder in der ´Saumzone´ leben, von der Sperranlage umgeben sind oder Land und/oder Verwandte auf der anderen Seite der Sperranlage haben.

Die Bauern in den Dörfern im besetzten Westjordanland, die durch die Sperranlage von ihrem Land in der ´Saumzone´ abgeschnitten sind, dürfen ihr Land nur mit einer – oft nur auf einige Wochen – zeitlich begrenzten Genehmigung („permit“) betreten, die sie berechtigt, die Sperranlage durch einen landwirtschaftlichen Kontrollpunkt zu passieren. Es gibt zwar mehr als 70 landwirtschaftliche Kontrollpunkte, aber weniger als 30 sind geöffnet, entweder einmal pro Woche oder häufiger, jedoch jeweils nur für kurze Zeit. Alle anderen sind dauerhaft geschlossen oder nur einmal im Jahr geöffnet.

Ein Beispiel aus Jayyous in der Nähe von Qalqiliya:

Checkpoint No Öffnungszeiten
morgens
Öffnungszeiten
 mittags
Öffnungszeiten
nachmittags
Bemerkungen
Falamia 914 05:55 – 06:35 12:45 – 13:15 15:40 – 16:15 nur für Fußgänger
Falamia South 965 06:45 – 07:10 13:20 – 13:50 16:20 – 16:50 nur für Fußgänger
Jayous 1012 07:20 – 07:30 14:00 – 14:15 15:15 – 15:25 am Ortsrand

Voraussetzung für die Erteilung einer Genehmigung ist ein Dokument, mit dem der Besitz des Landes nachgewiesen wird. In vielen Fällen handelt es sich um Ländereien, die sich seit Jahrhunderten im Familienbesitz befinden und vom Vater auf den Sohn übergehen, vielfach ohne schriftlichen Nachweis. Selbst wenn es ein Dokument gibt, wird die Erlaubnis zum Betreten ihres Landes nur dem Familienoberhaupt erteilt, d.h. die Söhne des Bauern und die anderen Familienangehörigen erhalten prinzipiell keine Genehmigung. Aber auch die Familienhäupter können nicht sicher sein, die Genehmigung zu erhalten, zwischen 40 und 60% der Anträge werden von der israelischen Militärverwaltung abgelehnt. Daher sind viele Landwirte gezwungen, ihr Land brachliegen zu lassen, sie verlieren dadurch ihre Existenzgrundlage.


Landkarte: ´Saumzone´ in der Region Qalqilia : Die Karte zeigt die ´Saumzone´ zwischen der Waffenstillstandslinie (gestrichelte Linie ) und der Sperranlage (durchgezogene Linie)

In einem Bericht scheibt Human Rights Watch: „Das System (…) behandelt alle Palästinenser, die in diesen Gebieten leben oder versuchen, zu ihrem Ackerland zu gelangen, so, als wären sie eine Sicherheitsbedrohung, und erlegt ihnen unnötig strenge Beschränkungen auf.“

Das Land in der ´Saumzone´ wurde zur militärischen Zone erklärt, mittlerweile gibt es dort 71 jüdische Siedlungen. Laut dem United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (UNOCHA) wurde der Verlauf der Sperranlage so geplant, dass so viele jüdische Siedlungen wie möglich auf der israelischen Seite der Mauer bleiben.

Zur Erinnerung: Der Internationale Gerichtshof hat bereits 2004 entschieden, dass der Bau der Sperranlage illegal ist.

Bereits im Jahr 2006 haben mehrere palästinensische Organisationen in einem Schreiben an die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen darauf hingewiesen, dass ein klarer Zusammenhang zwischen den jüdischen Siedlungen und dem Bau der Sperranlage besteht, da beide Maßnahmen die Beschlagnahmung und schließliche Annexion palästinensischen Landes zur Folge haben. Die israelischen Menschenrechtsorganisationen B’Tselem und Bimkom haben in einer Studie bestätigt, dass der Verlauf der Mauer in vielen Fällen mit den Plänen zur Siedlungserweiterung übereinstimmt.

Human Rights Watch weist darauf hin, dass der Bau nicht durch Sicherheitsbedenken gerechtfertigt ist und die Verletzung der internationalen Menschenrechte und des humanitären Rechts zur Folge hat, da er die Bewegungsfreiheit der Palästinenser behindert, Eigentum zerstört und zu rechtswidrigen israelischen Siedlungspraktiken beiträgt. Außerdem untersagt Art. 49 der Vierten Genfer Konvention, die 1951 auch von Israel ratifiziert wurde, einer Besatzungsmacht, die eigene Bevölkerung in besetztem Gebiet (dazu gehört auch die ´Saumzone´) anzusiedeln. Die israelischen Regierungen haben das schon immer anders gesehen. Im November 2005 sagte die damalige israelische Justizministerin Tzipi Livni, dass die Sperranlage „die zukünftige Grenze des Staates Israel“ sein werde, und der damalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert erklärte im März 2006, dass „der Verlauf des Zauns – der bisher ein Sicherheitszaun war – mit dem neuen Verlauf der permanenten Grenze in Einklang stehen wird“.

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Ein Kommentar

  1. Diese perfide völkerrechtswidrige Schikane zielt so unverschämt wie offensichtlich auf die Kapitulation der palästinensischen Kleinbauern ab, dass es eines weltweiten Protestes, nicht nur einer wieder einmal folgen- und sanktionslosen UN-Resolution bedarf. Weiter ist die Absicht dahinter überdeutlich, das irgendwann dann zwangsläufig aufgegebene, brachliegende der Bauern zu annektieren und das Narrativ vom wirtschaftlich erfolglosen Palästinenser und / oder „Land ohne Volk“ zu stärken.

    Wie lange hält der SUMUD diesen Erniedrigungen stand?

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