UN-Bericht über die Mitschuld der Unternehmen
- Von der Wirtschaft der Besatzung zur Wirtschaft des Völkermords
- Erfreulich: Betätigungsverbot bei „Palästina-Kongress“ war rechtswidrig Gericht verbietet Transport von Militärgut durch Flandern nach Israel
- Haaretz berichtet über einen Panorama-Beitrag, wonach Netanjahu versuchte, die Entlassung von Merkels Berater Christoph Heusgen im Zusammenhang mit einem U-Boot-Deal zu erreichen
Die Vereinten Nationen haben einen umfassenden Bericht über die privaten Unternehmen veröffentlicht, die von der illegalen israelischen Besatzung in Palästina profitieren und diese sowie den anhaltenden Völkermord im Gazastreifen ermöglichen. Der Bericht, dessen Autorin die Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete Francesca Albanese ist, beschreibt detailliert die Art und Weise, wie Unternehmen und akademische Einrichtungen gegen internationales Recht verstoßen, und nennt die Unternehmen namentlich, darunter auch zwei deutsche Firmen. Er schließt mit der Forderung nach Sanktionen und Wiedergutmachung. Francesca Albanese wurde von den USA nach der Veröffentlichung des Berichts sanktioniert.
Am 3. Juli veröffentlichten die Vereinten Nationen einen umfassenden Bericht mit dem Titel „From economy of occupation to economy of genocide“ (Von der Wirtschaft der Besatzung zur Wirtschaft des Völkermords) über die Rolle von Unternehmen bei der völkerrechtswidrigen Erbringung von Dienstleistungen und der Bereitstellung von Gütern und Finanzmitteln für das israelische Besatzungsregime in Palästina sowie in jüngster Zeit für den anhaltenden Völkermord Israels an den Palästinensern im Gazastreifen. Der Bericht ist 39 Seiten lang und wurde in die sechs UN-Sprachen übersetzt. Eine inoffizielle deutsche Übersetzung ist hier verfügbar.

Die Grafik des Berichts. Quelle: 2025, Facebook.
Der Bericht gibt vorab einen historischen Überblick darüber, wie der israelische Kolonialismus in Palästina mit Hilfe des Privatsektors ermöglicht wurde. Nach dem Oktober 2023 hätten sich schon seit langem bestehende Systeme der Kontrolle, Ausbeutung und Enteignung in wirtschaftliche, technologische und politische Infrastrukturen verwandelt, die mobilisiert wurden, um massenhaft praktizierte Gewalt und immense Zerstörung zu verursachen. Die jüngsten gerichtlichen Entwicklungen würden keinen Zweifel daran lassen, dass die Beteiligung von Unternehmen an Maßnahmen der Besatzung mit Verstößen gegen jus-cogens-Normen und internationalen Verbrechen verbunden ist.
Der Hauptteil des Berichtes veranschaulicht in drei Kapiteln – Vertreibung, Neubesetzung und Ermöglichung von Verbrechen, wie acht Schlüsselsektoren sich an die genozidalen Praktiken angepasst haben. Thematisiert werden:
- Der militärische Sektor: Das Geschäft mit der Eliminierung
- Überwachung und Inhaftierung: Die dunkle Seite der „Start-up- Nation“
- Zivile Maschinen: Schwere Maschinen im Dienste der siedlungskolonialen Zerstörung
- Siedlungen auf gestohlenem Land
- Der Griff nach den natürlichen Ressourcen: Entzug der Lebensgrundlagen
- Handel mit den Früchten der Illegalität
- Finanzierung der Verstöße gegen die Menschenrechte
- Wissensproduktion und Legitimierung von Übergriffen
Der Abschnitt des Berichts über die akademische Zusammenarbeit ist für Deutschland besonders wichtig, da die meisten deutschen Universitäten Beziehungen zu israelischen Universitäten unterhalten, die ihrerseits internationale akademische Einrichtungen für die Entwicklung von Waffen für das israelische Militär nutzen. Diese werden gegen Zivilisten eingesetzt, zumeist, um palästinensisches Land für Siedlungen, für den Bau von Universitäts-Campussen und für archäologische Projekte zu enteignen und die Universitäten in ein militarisiertes und rassistisch motiviertes, gegen die Palästinenser gerichtetes Umfeld zu verwandeln – siehe Maya Winds Buch „Towers of Ivory and Steel“, das in dem Bericht zitiert wird. Dass diese Maßnahmen mit einer Diskriminierung von Palästinensern einher gehen, ist offenkundig.
Der Bericht stützt sich auf umfangreiche Literatur und eine Datenbank mit über 1.000 Unternehmen, die von der Sonderberichterstatterin untersucht wurden. Dabei werden zwei deutsche Unternehmen ausdrücklich erwähnt: Rheinmetall, weil es von seiner Zusammenarbeit mit der israelischen Rüstungsindustrie profitiert, und Heidelberg Materials, früher Heidelberg Cement. Die Passage über Heidelberg Materials (Ziff. 50) lautet:
„Die deutsche Heidelberg Materials AG hat sich über ihre Tochtergesellschaft Hanson Israel an der Plünderung von Millionen Tonnen Dolomitgestein aus dem Steinbruch Nahal Raba beteiligt, dessen Land palästinensischen Dörfern im Westjordanland entzogen wurde. Im Jahr 2018 gewann Hanson Israel eine öffentliche Ausschreibung für die Lieferung von Material aus diesem Steinbruch für den Bau von Siedlungen und hat seitdem den Steinbruch fast erschöpft, was zu ständigen Erweiterungsanfragen geführt hat.“
In dem Bericht wird das Gutachten des IGH vom Juli 2024, in dem die anhaltende Präsenz Israels in den besetzten Gebieten für illegal erklärt wird, als „seismische Verschiebung“ bezeichnet.
Entsprechend diesem Gutachten schließt der Bericht mit klaren Forderungen an die Regierungen, Sanktionen gegen Israel zu verhängen, und an die Unternehmen, alle Geschäftsaktivitäten und Beziehungen sofort zu beenden, die in direktem Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen und internationalen Verbrechen gegen das palästinensische Volk stehen, zu diesen beitragen und sie verursachen, sowie schließlich den Palästinensern Wiedergutmachung zu leisten.
Ein Anhang, in dem der relevante rechtliche Rahmen dargestellt wird, ergänzt den Bericht.

Francesca Albanese, Sonderberichterstatterin der UNO für die besetzten palästinensischen Gebiete. Quelle: UN.
Verfasserin des Berichts ist die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese, eine Rechtswissenschaftlerin, die sich unermüdlich für die Umsetzung des Völkerrechts eingesetzt hat. Im Mai 2024 sprach Albanese auf der 3. Internationalen BIP-Konferenz in Nürnberg (BIP-Aktuell #306). Die Freie Universität Berlin verbot eine Veranstaltung mit ihr im Februar 2025. Nach der Veröffentlichung des Berichts über die Mitschuld von Unternehmen gab US-Außenminister Marco Rubio die Verhängung von Sanktionen gegen Francesca Albanese bekannt, ein beispielloser Angriff auf die Vereinten Nationen. Albanese bat die Öffentlichkeit in einem Interview, sich auf ihren Bericht und nicht auf ihre persönliche Situation zu konzentrieren.
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Angesichts der zumeist sehr deprimierenden Berichte in unserem Newsletter steht an dieser Stelle die Rubrik „Erfreulich“ – in der Hoffnung, dass diese Meldungen uns allen Mut machen, denn „Aufgeben ist keine Option“!
BA 357 Erfreulich:
Berliner Verwaltungsgericht: Betätigungsverbot bei „Palästina-Kongress“ war rechtswidrig
„Gut 15 Monate nach dem umstrittenen Palästina-Kongress in Berlin hat ein britisch-palästinensischer Arzt vor Gericht feststellen lassen, dass ein damals gegen ihn verhängtes politisches Betätigungsverbot rechtswidrig war. Das Verwaltungsgericht Berlin entschied, dass die Ausländerbehörde dem Chirurgen Ghassan Abu-Sittah zu Unrecht die Teilnahme an dem Kongress und auch jegliche Veröffentlichungen und Interviews dazu verboten hat.
Als Grund hatte die Behörde die Gefahr angeführt, Abu-Sittah könnte auf dem Treffen die Terrorattacke der islamistischen Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel glorifizieren und die Vernichtung Israels befürworten. (AZ: VG 24 K 493/24)
Die Kammer entschied nach Angaben einer Gerichtssprecherin nun, dass das Verbot, das sich auf eine Klausel im Aufenthaltsgesetz stützte, rechtswidrig war. Es sei nicht zu erwarten gewesen, dass Äußerungen Abu-Sittahs die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet hätten.
Selbst wenn die oben genannte Gefahr bestanden hätte, wäre ein Betätigungsverbot dennoch unverhältnismäßig gewesen, befand das Gericht. So hätte die Ausländerbehörde unter anderem Abu-Sittahs Rolle als Zeitzeuge der israelischen Luftangriffe im Oktober und November 2023 in ihrer Abwägung berücksichtigen müssen, der dazu unter anderem auch vom Internationalen Strafgerichtshof angehört worden sei.
Sein Anwalt hatte vor Gericht betont, Abu-Sittah habe die Hamas-Anschläge vom 7. Oktober weder gebilligt noch gutgeheißen. Seine Kritik an israelischen Angriffen auf Kliniken, bei denen zahlreiche Kinder getötet wurden, sei von der Meinungsfreiheit gedeckt.“
https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2025/07/palaestina-kongress-berlin-betaetigungsverbot-rechtswidrig-urteil-antisemitismus.html
Gericht verbietet Transport von Militärgut durch Flandern nach Israel
„Für die belgische Region Flandern gilt neuerdings ein Transportstopp, der mit der Lage in Nahost zusammenhängt. Künftig dürfen dort keine militärischen Güter mehr nach Israel geleitet werden – wenn es keine Sicherheit gibt, dass diese nur zivil genutzt werden. Das entschied ein Gericht in Belgiens Hauptstadt Brüssel, wie die belgische Nachrichtenagentur Belga berichtet. Bei Verstößen drohen demnach Strafen in Höhe von 50.000 Euro. Zuvor hatten mehrere Nichtregierungsorganisationen gegen die flämische Regierung Klage eingereicht.
Konkret befasste sich das Gericht mit einem Container mit sogenannten Kegelrollenlagern im Hafen von Antwerpen. Den NGO-Angaben zufolge war die Lieferung für ein israelisches Rüstungsunternehmen bestimmt. Es nutzt solche Kegelrollenlager demnach für die Herstellung von Panzern und gepanzerten Fahrzeugen, die von der israelischen Armee im Gazastreifen eingesetzt werden. Die Richter entschieden, dass der Container den Hafen »unter keinen Umständen« verlassen darf.“ https://www.spiegel.de/ausland/israel-gaza-krieg-flandern-verbietet-durchfuhr-von-militaerguetern-nach-israel-a-7b4ebbd1-84a6-4342-9b65-b63c8c6b441b?sara_ref=re-so-app-sh
BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden.
Anmerkung der Redaktion: Die Vorgänge, die Gegenstand des folgenden Berichts sind, liegen zwar bereits über 10 Jahre zurück; sie wurden aber erst kürzlich vom NDR-Politmagazin Panorama aufgedeckt und werfen ein deutliches Licht auf die Machenschaften der Netanjahu-Regierungen.
Haaretz berichtet über einen NDR-Panorama-Beitrag, wonach Netanjahu versuchte, die Entlassung von Merkels Berater Christph Heusgen im Zusammenhang mit einem U-Boot-Deal zu erreichen:
„Laut dem deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen war Netanjahu empört über Forderungen von Christoph Heusgen – einem Berater der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel –, U-Boote mit dem Siedlungsstopp und der palästinensischen Staatlichkeit zu verknüpfen. Ein Berater Netanjahus soll sich an die Bild-Zeitung gewandt haben, die daraufhin einen negativen Artikel über Heusgen veröffentlichte.
Laut einem Bericht der deutschen Fernsehsendung „Panorama“ in der ARD versuchte Premierminister Benjamin Netanjahu um das Jahr 2010 herum, eine Entlassung von Merkels Berater Christoph Heusgen während der Verhandlungen über die Lieferung eines sechsten U-Boots durch Deutschland an Israel zu erreichen. Dem Bericht zufolge wandte sich Ron Dermer, ein enger Vertrauter Netanjahus und heute Minister, Ende 2010 oder Anfang 2011 an Harald Kindermann, den damaligen deutschen Botschafter in Tel Aviv, und forderte die Entlassung Heusgens. Gleichzeitig soll Dermer Kontakt zum deutschen Medienkonzern Axel Springer aufgenommen haben, dem die BILD-Zeitung gehört.
Anschließend veröffentlichte BILD im Dezember 2012 einen Artikel, in dem Heusgen negativ dargestellt wurde; es wurde unter anderem behauptet, Merkel würde ihrem Berater zu viel Einfluss in israelischen Fragen einräumen und Heusgen wolle „immer über die Siedlungen sprechen“.
Merkel entließ ihren Berater nicht. In der Untersuchung heißt es jedoch: „Es scheint, dass der Druck Israels Folgen hatte. Die deutsche Regierung hat letztendlich keine Bedingungen in Bezug auf die Palästina-Frage als Gegenleistung für die Lieferung des sechsten U-Boots gestellt.”
BILD war auch die Zeitung, an die Netanjahus Mitarbeiter im September 2024 ein geheimes Dokument weitergaben, das als strategisches Dokument der Hamas präsentiert wurde und die öffentliche Protestbewegung gegen einen Geiselhandel untergraben sollte. Das sechste U-Boot ist laut dem Bericht im deutschen Hafen Kiel bereit und soll bald nach Israel überführt werden.“
https://www.haaretz.com/israel-news/2025-07-11/ty-article/german-report-netanyahu-tried-to-oust-merkel-aide-in-dispute-over-submarine-deal/00000197-f60b-de3f-abf7-ffef0ae30000
Siehe auch https://www.tagesschau.de/investigativ/panorama/u-boote-netanjahu-merkel-heusgen-100.html
Das Redaktionsteam von BIP-Aktuell besteht aus dem Vorstand und dem Geschäftsführer Dr. Shir Hever. V. i. S. d. P. Dr. Götz Schindler, BIP-Vorstand.