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Der größten humanitären Hilfsorganisation im Gazastreifen drohen aus politischen Gründen Kürzungen der finanziellen Mittel

UNRWA ist die größte humanitäre Hilfsorganisation im Gazastreifen.  Da Israel den Hunger als Kriegswaffe gegen die Bevölkerung des Gazastreifens einsetzt, sind die Lebensmittellieferungen von UNRWA unerlässlich. Israel verhörte gefangene UNRWA-Mitarbeiter und erpresste von ihnen Geständnisse, dass sie an dem Angriff gegen Israel am 7. Oktober beteiligt gewesen seien. Daraufhin hat eine Reihe von Ländern, darunter auch Deutschland, die Mittel für UNRWA gestrichen. Wenn die Finanzierung nicht wiederhergestellt wird, droht im März eine noch größere Hungersnot.

UNRWA ist die Abkürzung für das Hilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations Relief and Works Agency). Es wurde 1949 gegründet, kurz nach der Massenvertreibung der Palästinenser aus ihren Häusern in dem Gebiet, das zum Staat Israel wurde. UNRWA wurde speziell für palästinensische Flüchtlinge gegründet, war aber nicht für 75 Jahre gedacht, da die Flüchtlinge gemäß der Resolution 194 der UN-Generalversammlung in ihre Heimat zurückkehren und eine Entschädigung erhalten sollten. Im Laufe der Jahre musste sich UNRWA anpassen, um die Folgen des am längsten andauernden Flüchtlingsstatus einer Bevölkerungsgruppe der Welt zu bewältigen. Die Zelte in den Flüchtlingslagern wurden durch dauerhafte Gebäude ersetzt (die jedoch klein und armselig sind und nur minimale Anforderungen erfüllen). UNRWA baute neben ihrem humanitären Hilfsprogramm ein umfangreiches Bildungs- und Gesundheitssystem auf. UNRWA wurde fast zu einem eigenständigen Staat, der den palästinensischen Flüchtlingen grundlegende öffentliche Dienstleistungen zur Verfügung stellt, jedoch keinen Polizeischutz und keinen militärischen Schutz bietet und keine politische Mitwirkung der Palästinenser ermöglicht. Das Budget von UNRWA (für alle palästinensische Flüchtlinge, nicht nur in Gaza) beläuft sich im Durchschnitt auf ungefähr 185 Millionen Dollar pro Jahr, ungefähr jährlich 120 Dollar pro Person.



Das Logo von UNRWA.


Nach der Besetzung des Gazastreifens und des Westjordanlandes 1967 fielen viele UNRWA-Flüchtlingslager unter israelische Kontrolle. Anstatt den UNRWA-Mechanismus abzubauen und die Dienste der Selbstverwaltunng der Flüchtlinge zu unterstellen, wozu Israel nach dem humanitären Völkerrecht verpflichtet gewesen wäre, hat Israel die Flüchtlingslager unter der Verantwortung von UNRWA belassen, weil es durch die internationale Finanzierung von der Notwendigkeit befreit wurde, Millionen von Palästinensern mit Lebensmitteln, Medikamenten, Bildung und Wohnraum zu versorgen. Israel profitiert daher sowohl wirtschaftlich als auch politisch von der UNRWA. Der israelische Premierminister Netanjahu hat sich jedoch häufig gegen UNRWA ausgesprochen und dessen Schließung gefordert. Diese Botschaft kommt bei seinen Wählern gut an, obwohl sie den Interessen Israels als Besatzer zuwiderläuft. Da mehr als 60 % der Bevölkerung des Gazastreifens Flüchtlinge sind, ist die Tätigkeit von UNRWA im Gazastreifen so umfangreich wie nirgendwo sonst. Eine interessante Diskussion im Deutschlandfunk verdeutlicht die Komplexität der Situation mit der UNRWA und den Mangel an Alternativen.

Im derzeitigen israelischen Krieg gegen den Gazastreifen setzt Israel den Hunger als Kriegswaffe ein. Im Gazastreifen besteht ständig die Gefahr des Verhungerns, und Mangelernährung hat bereits zu enormem Leid, Krankheiten und dem Verlust von Schwangerschaften geführt. Im Jahr 2012 berechnete das israelische Militär heimlich, dass jeder Mensch im belagerten Gazastreifen mindestens 2.279 Kalorien pro Tag zum Überleben benötigt. Schon 2006 hat Dov Weisglass, ein Berater von Ministerpräsident Olmert gesagt, dass der Plan ist, die Menschen in Gaza „auf Diät“ zu setzen. Als ein israelischer Journalist, Nir Guntaj von Haaretz, den israelischen Oberst „Aleph“, der von der Regierung mit der Überwachung der humanitären Hilfe für Gaza beauftragt wurde, fragte, wie Israel behaupten kann, dass es im Gazastreifen keine humanitäre Katastrophe gibt, wenn die Gesamtmenge an Lebensmitteln, die in den ersten 90 Tagen des Krieges nach Gaza gelassen wurde, nur für 350 Kalorien pro Person und Tag reichte – weniger als ein Sechstel des vom israelischen Militär selbst errechneten Minimums – antwortete der Offizier, dass „es vor dem Krieg Lebensmittelvorräte in Gaza gab. Man darf nicht vergessen, dass es sich um eine arabische Bevölkerung handelt und dass das Anhäufen von Nahrungsmitteln in ihrer DNA liegt“. Derselbe Offizier argumentierte, dass UNRWA pro Tag nur die Lebensmittel von 190 Lastwagen verteilen kann, so dass es nicht die Schuld Israels ist, wenn nicht genug Lebensmittel ankommen (Quelle auf Hebräisch). Fast alle  190 Lastwagen gehören UNRWA.

Am 26. Januar behauptete die israelische Regierung (gemäß einem Dossier des israelischen Geheimdienstes), dass ein Dutzend Mitarbeiter der UN-Agentur an dem Angriff auf Israel am 7. Oktober beteiligt gewesen sei. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Informationen durch Folter erlangt wurden und daher unzulässig sein könnten. Das israelische Komitee gegen Folter hat oft über Folter gegen Palästinenser berichtet. Dennoch reagierte UNRWA sofort mit der Einleitung einer eigenen Untersuchung und entließ die beschuldigten Mitarbeiter. Israelische Geheimdienstmitarbeiter waren überrascht, dass die Anschuldigungen gegen UNRWA durchsickerten, da UNRWA für die israelischen militärischen Interessen im Gazastreifen unverzichtbar ist und man darauf hoffen kann, nicht vom Internationalen Gerichtshof wegen Völkermordes verurteilt zu werden (Quelle auf Hebräisch). Netanjahu nutzte diese Anschuldigung jedoch, um zu fordern, dass die internationale Finanzierung von UNRWA eingestellt werden müsse. Israels größte Bank, die Bank Leumi, stoppte Geldüberweisungen an UNRWA-Büros in den besetzten Gebieten (Quelle auf Hebräisch). Mehrere westliche Staaten, darunter die USA, der größte Geldgeber von UNRWA, und Deutschland, der zweitgrößte Geldgeber, haben sofort angekündigt, dass sie die Finanzierung von UNRWA eingestellt haben.



Diese Karte zeigt die Verteilung der UNRWA-Flüchtlingslager im Jahr 2019. Quelle: Al-Jazeera, 2020.


Die Entscheidung dieser Regierungen, die Mittel für UNRWA zu streichen, ist nicht nur willkürlich, weil sie auf Informationen beruht, die möglicherweise durch Folter erlangt wurden, sondern auch höchst heuchlerisch, weil die USA und Deutschland die Mittel für israelische Projekte wie militärische, kulturelle, akademische Projekte nicht gestrichen haben, obwohl die Mitarbeiter am Völkermord im Gazastreifen beteiligt waren. Die Kürzung von Geldern für humanitäre Soforthilfe in Zeiten der Hungersnot ist nicht nur ein Akt, der Israels Völkermord unterstützt, sondern selbst ein völkermörderischer Akt. UNRWA hat angekündigt, dass sie ihre Tätigkeit Ende Februar einstellen müsse. UN-Generalsekretär Antonio Guterres forderte eine sofortige Rücknahme der Mittelkürzungen. Wenn die Gelder nicht wieder bereitgestellt werden, werden die Menschen, die in Gaza verhungern, nicht nur Opfer Israels, sondern auch der US-amerikanischen, der deutschen Regierung und anderer Regierungen sein, und der Internationale Gerichtshof wird gezwungen sein, die Rolle dieser Regierungen bei der Mitschuld am Völkermord zu erörtern.

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