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Eine bankrotte palästinensische Behörde kann nicht funktionieren

BIP-Aktuell #290:

  1. Das Westjordanland und die Palästinensische Behörde stehen vor einer Wirtschaftskrise
  2. Nicht nur in Gaza: Palästinenser im Westjordanland können sich seit dem Krieg nicht mehr ausreichend Lebensmittel und Medikamente leisten

Die Wirtschaft des Westjordanlandes und der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) hängt von den Arbeitsgenehmigungen für palästinensische Arbeitnehmer ab, die für israelische Arbeitgeber in Israel und in den illegalen Siedlungen arbeiten. Alle Genehmigungen wurden nach dem 7. Oktober annulliert, was zu einer schweren Wirtschaftskrise für die PA führte. Israel beschlagnahmt außerdem die Steuergelder, die es den Palästinensern schuldet. Die USA fordern eine Reform der Palästinensischen Autonomiebehörde, damit sie den Gazastreifen übernehmen und die Hamas ersetzen kann, denn eine bankrotte PA kann weder das Westjordanland noch den Gazastreifen verwalten.

Seit dem 7. Oktober 2023, als Israel als Racheakt für den Hamas-Angriff auf Israel einen völkermörderischen Angriff auf den Gaza-Streifen startete (siehe BIP-Aktuell #285), konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Medien auf die betroffenen Israelis und die Geiseln sowie auf das Massaker und das Leid im Gaza-Streifen. Es wurde kaum berichtet, dass die israelischen Behörden auch kollektive Strafen gegen Palästinenser innerhalb Israels und im Westjordanland verhängt haben, zwei Gebiete, in denen die Hamas nicht an der Macht ist.



Palästinensische Arbeiter warten am Kontrollpunkt Bethlehem auf die Einreise nach Israel. Quelle: 2017, Ahmad Al-Bazz, Activestills.


Im Westjordanland ist die Wirtschaft von palästinensischen Tagelöhnern abhängig, die jeden Tag nach Israel fahren, um dort zu arbeiten, vor allem im Baugewerbe und in der Landwirtschaft, sowie von Palästinensern, die in den illegalen israelischen Siedlungen arbeiten. Dort arbeiten Palästinenser nicht nur im Baugewerbe und in der Landwirtschaft, sondern auch in der Industrie in den Industriezonen der illegalen Siedlungen. Palästinenser benötigen eine Genehmigung, für die sie bezahlen müssen, um nach Israel einzureisen und dort zu arbeiten (siehe BIP-Aktuell #204). Da Israel die wirtschaftliche Entwicklung und die Investitionen in den besetzten palästinensischen Gebieten seit 1967 eingeschränkt hat, finden Palästinenser im Westjordanland nur sehr wenige Arbeitsmöglichkeiten. Im Durchschnitt reisen täglich 130.000 Arbeitnehmer nach Israel ein, um dort zu arbeiten, wobei 30.000 weitere Arbeitnehmer in den illegalen Siedlungen arbeiten.

Dadurch sind die palästinensische Wirtschaft und die Palästinensische Autonomiebehörde in hohem Maße von den Einkünften und Steuern dieser Arbeiter abhängig. Seit dem 7. Oktober hat Israel jedoch alle Arbeitsgenehmigungen der palästinensischen Arbeiter annulliert und die gesamte Wirtschaft des Westjordanlandes in den Würgegriff genommen. Ironischerweise hat die Annullierung der Arbeitsgenehmigungen dazu geführt, dass die illegalen Bautätigkeiten in den Siedlungen zum Stillstand gekommen sind, weil es dort keine Arbeitskräfte mehr gibt. Im Dezember setzten die Siedler die israelische Regierung unter Druck, und das israelische Militär erteilte Sondergenehmigungen für 10.000 palästinensische Arbeiter, die nur in den illegalen Siedlungen arbeiten dürfen. Das führt auch dazu, dass die Kolonisierung des Westjordanlandes fortgesetzt wird (Quelle auf Hebräisch).

Darüber hinaus verabschiedete das israelische Parlament 2018 ein Gesetz zur Beschlagnahme von Steuergeldern, die Israel an die Palästinensische Behörde überweisen muss (Steuern ebenso wie Zölle, die Israel im Auftrag der Palästinensischen Behörde an den israelischen Häfen erhebt). Israel beschlagnahmt einen Geldbetrag in Höhe des Betrags, den die Palästinensische Behörde an israelische Gefängnisse überweist, nämlich auf die Konten der palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen. Die Gefangenen leben unter schwierigen Bedingungen und erhalten nicht genügend Lebensmittel und Hygieneartikel, so dass sie diese mit dem Geld, das die Palästinensische Autonomiebehörde zur Verfügung stellt, selber in den Läden der Gefängnisse kaufen müssen. Die palästinensische Regierung weigerte sich daraufhin aus Protest, den Rest des Geldes anzunehmen. Am 3. November beschloss Israel, auch die gesamten Steuergelder, die die PA jeden Monat an ihre Angestellten im Gazastreifen überweist, einzubehalten. Die verbleibenden 188 Millionen Dollar werden jeden Monat an Norwegen statt an die PA überwiesen, in der Erwartung, dass diese sich bereit erklärt, den mageren Betrag aus Norwegen, nicht aber aus Israel zu akzeptieren.

Die US-Regierung versucht, einen Weg zur Beendigung des Krieges in Gaza zu finden und drängt die israelische Regierung, eine Lösung zu akzeptieren, die der Palästinensischen Autonomiebehörde die Kontrolle über den Gazastreifen übergibt. Dieser Plan hat nichts mit Demokratie zu tun, da er den Palästinensern das Recht verweigert, ihre eigene Führung zu wählen. Israel lehnt einen solchen Plan ab, es sei denn, die PA hält sich an eine lange Liste von Forderungen nach Reformen bei der Unterdrückung des palästinensischen Widerstands gegen die Besatzung. Einige hochrangige Mitglieder der Regierung lehnen den Plan vollständig ab und fordern, dass der Gazastreifen ethnisch gesäubert, annektiert und mit jüdischen Israelis besiedelt wird. Die USA haben daher Druck auf die PA ausgeübt, damit sie weitreichende Reformen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft akzeptiert.



Mohammad Shtayyeh, Premierminister der Palästinensische Autonomiebehörde im UN-Hauptquartier in New York, USA, am 22. September 2022 während der UN-Vollversammlung 2022. Quelle: 2022, Johanna Leguerre, Wikipedia.


Ein hochrangiger Beamter der Palästinensischen Autonomiebehörde gab Haaretz ein anonymes Interview (Quelle auf Hebräisch) und sagte, dass die meisten Reformen, die durchgeführt werden, ohnehin notwendig sind: ein öffentliches Krankenversicherungssystem, eine effizientere Finanzverwaltung, neue Direktoren für öffentliche Einrichtungen, eine bessere Steuererhebung, mehr Wettbewerb im Kommunikationssektor und Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption. Er fügte jedoch hinzu, dass die Reformen nicht erfolgreich sein werden, wenn Israel die für das tägliche Funktionieren der PA erforderlichen Gelder zurückhält. Er sagte:

„Nehmen wir an, Abu Mazen [Mahmoud Abbas] gibt auf und geht in den Ruhestand, wir wechseln den Premierminister und alle Minister aus und holen jemanden, der keiner Partei angehört, um die Palästinensische Autonomiebehörde in absehbarer Zeit zu führen. Was werden wir im Gegenzug von der israelischen Regierung erhalten? Wird sie den Bau in den Siedlungen stoppen? Wird die Gewalt der Siedler aufhören? Wird die Beschlagnahmung von Geld aufhören? Wird die Annexion vom Tisch sein?“


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BIP Aktuell berichtet an dieser Stelle regelmäßig über Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina, die in unseren Medien zumeist nicht erwähnt werden. 

Anmerkung der Redaktion: Der Text, den Sie oben lesen konnten, befasst sich mit den besonderen politischen Implikationen, denen die Wirtschaft im Westjordanland ausgesetzt ist. Die Auswirkungen auf die Familien macht Hagar Shezaf in ihrem Artikel in Haaretz deutlich:

Nicht nur in Gaza: Palästinenser im Westjordanland können sich seit dem Krieg keine Lebensmittel und Medikamente mehr leisten
„Der Krieg im Gazastreifen richtet in der Wirtschaft des Westjordanlands verheerende Schäden an: Geschäfte sind geschlossen, Unternehmen nehmen keine bargeldlosen Zahlungen mehr an und palästinensische Arbeiter lassen Mahlzeiten ausfallen, so dass die Kinder kaum genug zu essen haben.
Ein Junge stürzt und stößt sich den Kopf. Seine Mutter bringt ihn zum Arzt, der ihr sagt, dass die Behandlung und der Verband der Wunde 150 Schekel (ca.40 Dollar/37€) kosten wird. Das ist der Mutter zu viel, also macht der Arzt, der befürchtet, das Geld nie zu sehen, einen ungewöhnlichen Vorschlag: Der Junge bleibt bei ihm als Pfand, bis die Mutter das Geld aufgetrieben hat.
So bizarr diese Geschichte auch klingen mag, sie hat sich letzten Monat in Yatta im südlichen Westjordanland tatsächlich zugetragen. Die Familie Abu Zahra, ein Opfer der Wirtschaftskrise im Westjordanland, konnte nicht einmal 150 Schekel zusammenkratzen, so dass die Mutter keine andere Wahl hatte.
Der Junge wurde schließlich nach Hause geschickt und kehrte in ein Leben zurück, in dem die Erwachsenen arbeitslos sind, kaum genug zu essen auf dem Tisch steht und das, was es gibt, nicht sehr sättigend ist. Die Familie hofft, dass der Junge keine weitere medizinische Versorgung benötigt.
Viele Jahre lang haben die Männer der Familie – der Vater, vier Söhne und zwei Schwiegersöhne – in Israel auf dem Bau gearbeitet. Doch seit der Krieg in Gaza ausgebrochen ist und Israel Arbeitern mit Arbeitserlaubnis die Einreise nach Israel verwehrt (mit einigen Ausnahmen), sitzen die Männer der Familie Abu Zahra zu Hause fest, ohne Arbeit und ohne Einkommen.
Diese Situation brachte die Familie schnell in den finanziellen Ruin. Am 20. Oktober, nur zwei Wochen nach Beginn des Krieges, schickten die Abu Zahras ihre Kinder nicht mehr in die Vorschule, da sie die 400 Schekel pro Kind nicht mehr bezahlen konnten.
Nach einem Bericht des palästinensischen Zentralbüros für Statistik von Ende letzten Monats war die Arbeitslosigkeit im Westjordanland von 13 Prozent vor dem Krieg auf 29 Prozent gestiegen.
Die Auswirkungen sind viel größer als die trockenen Zahlen, die von den israelischen Medien über die Notlage der Arbeiter im Westjordanland berichtet werden. Fida, eine Mutter aus der Familie Abu Zahra, sagt, dass es manchmal nichts auf den Tisch zu bringen gibt. Sie kocht hauptsächlich Linsensuppe, weil Linsen billig sind. Den Kindern gibt sie morgens Brot und Tee statt Frühstücksflocken und Milch.
Fida ist mit Mohammed, 45, verheiratet, der eine Arbeitserlaubnis für Israel hat. ´Am Anfang hatte ich noch etwas von meinem letzten Lohn übrig`, sagt er in fließendem Hebräisch.
Mohammed sagt, er habe einen Freund in der israelischen Stadt Nes Tziona südöstlich von Tel Aviv, ´der für mich wie ein Schutzengel ist. Er schickte mir eine Überweisung von 2.000 Schekel, und dann konnte ich einkaufen gehen. Aber jetzt ist auch das weg.`
Die Anzeichen der Wirtschaftskrise sind auf den Straßen sichtbar. In den letzten Monaten haben Lebensmittelläden die bargeldlose Bezahlung eingestellt und weigern sich, auf Kredit zu verkaufen. Ein Raubüberfall auf den Straßen der Stadt ist keine Überraschung mehr. Und als ob das noch nicht genug wäre, sagt Mohammed, dass Anfang der Woche maskierte Palästinenser zu seinem Haus kamen und nach ihm suchten. Er sagt, sie wollten ihn bedrohen, weil er sich für die Koexistenz mit den Israelis einsetzt und von der israelischen Zeitung Haaretz in seinem Haus interviewt wurde.

Auf dem Papier gibt es immer noch die Möglichkeit, im Westjordanland zu arbeiten. Aber es gibt einen Grund dafür, dass dies nur auf dem Papier der Fall ist, sagt Zuhair. Der örtliche Arbeitsmarkt ist seit Beginn des Krieges so überschwemmt, dass die Löhne einem Verlustgeschäft gleichkommen würden.
´Ich habe jemanden wegen eines Baujobs in Hebron angerufen und mir wurde gesagt, dass der Lohn 20 Schekel pro Tag betragen würde`, sagt er. Das reicht vielleicht gerade für das Taxi von Yatta nach Hebron und zurück. Es ist auch winzig im Vergleich zu dem, was Palästinenser im Westjordanland vor dem Krieg verdienten. Nach Angaben des palästinensischen Statistikamtes lag der Durchschnittslohn für Arbeiter dort im dritten Quartal des vergangenen Jahres bei 115 Schekel pro Tag, verglichen mit 300 Schekel in Israel.
In einem Radiointerview vor einem Monat sagte der palästinensische Ministerpräsident Mohammad Shtayyeh, der Krieg biete ´eine große Chance für die Palästinenser, in ihr Land zurückzukehren`. Die Arbeiter, die in Israel gearbeitet haben, werden auf ihr Land zurückkehren und es bearbeiten. Diese Bemerkung löste eine Welle des Spottes aus.
´Alle haben über dieses Interview gelacht. Wo werden sie denn pflanzen? Von welchem Land spricht er?`, fragt Majed, der um Anonymität gebeten hat und deshalb hier unter einem Pseudonym erscheint.
Er sagt, seine größte Frustration sei, dass sich niemand um die Arbeiter kümmere.
Angeblich wurde eine Lösung angeboten: Die Palästinensische Autonomiebehörde teilte den arbeitslosen Arbeitern mit, dass sie kleine Bankkredite erhalten könnten. Majed, ein 49-jähriger Vater von zwei Kindern aus Tulkarem, sagt, er habe genau das versucht, aber die Bank habe ihn abgewiesen. Der Grund: Er hat keinen Gehaltsscheck.
´Es gibt Leute, die ihre Autos verkauft haben`, sagt Majed. ´Ich habe einen Freund, dessen Sohn eine Privatschule besucht und der nicht mehr zahlen konnte, also sagten sie dem Jungen, er solle nicht mehr kommen. Niemand zeigt Gnade mit dir. Wenn das so weitergeht, was wird dann passieren? Eine Explosion.`
Assaf Adiv, Direktor der israelischen Maan Workers Association, die palästinensische Arbeiter gewerkschaftlich organisiert, kommt das alles bekannt vor. Er sagt, dass seine Organisation in den letzten drei Monaten eine Flut von Hilfsgesuchen erhalten hat.
Manche erwägen, ihre Arbeitserlaubnis annullieren zu lassen, damit sie die Rente erhalten, die sie jeden Monat beiseite legen und die von Israel einbehalten wird. Aber das ist ein Risiko – vielleicht wird in einer Woche oder einem Monat die Arbeit in Israel wieder aufgenommen. Einige befürchten, dass selbst dann nur eine begrenzte Anzahl von Arbeitnehmern zugelassen wird, da einige israelische Pläne vorsehen, dass zunächst nur Arbeitnehmer über 45 Jahre zugelassen werden. Das alles ist ein großes Glücksspiel.
Die Arbeiter, die eine Genehmigung für die Arbeit in den Siedlungen hatten, haben begonnen, wieder zu arbeiten. Derzeit sind es 9.000, weitere 5.000 sind in wichtigen Industrien innerhalb Israels beschäftigt. Majed ist nicht der Einzige, dem es schwerfällt, sich einen Reim darauf zu machen.
´Sie bringen die Arbeiter an die extremsten Orte, wo die Gefahr von Reibereien am größten ist. Warum in den Siedlungen und nicht innerhalb Israels? Wo ist da die Logik?`, fragt er. ´Wenn man einen Menschen unterdrückt und einsperrt, wird er irgendwann an Terror denken.`
Zwei weitere Faktoren für den Niedergang der Wirtschaft sind die schwindenden internationalen Spenden an die Palästinensische Autonomiebehörde in den letzten Jahren und die Tatsache, dass arabische Israelis, die normalerweise durch Einkäufe im Westjordanland Geld in die palästinensische Wirtschaft fließen lassen, aufgrund der Sicherheitslage kaum noch dorthin fahren.
Im Moment kann sich Majed gerade noch so über Wasser halten. Sein israelischer Chef, bei dem er seit 10 Jahren in der Landwirtschaft arbeitet, hat ihm und anderen Arbeitern mehrere tausend Schekel auf Kosten von Urlaubs- und Krankengeld überwiesen.
Majed hat 30 Jahre lang in Israel gearbeitet. Er sagt, der 7. Oktober sei ein schrecklicher Tag gewesen. ´Was für uns wichtig ist, ist, dass wir arbeiten können. Benjamin Netanjahu und Yahya Sinwar sitzen an ihren Schreibtischen und machen die Welt kaputt. Wofür?`
Vor dem Krieg hatte Ayman – der ebenfalls um Anonymität gebeten hat und deshalb hier unter einem Pseudonym erscheint – nach eigenen Angaben einen guten Lebensstandard. Er arbeitete nicht nur in Israel, er kaufte dort auch ein. ´Da war ich, ein palästinensischer Arbeiter, der zu [israelischer Apothekenkette] Super-Pharm ging, der zu [Bäckereikette] Angel ging und Challah für meine Frau und saure Sahne holte`, sagt er in einem Telefonat. ´Es gibt Tausende wie mich.`
Ayman stammt ursprünglich aus einer Gemeinde im Westjordanland in der Nähe von Jerusalem. Er lebt seit Jahren in Israel, seit er geheiratet hat. Seine Kinder wurden hier geboren und sind in Israel ansässig. Ayman hat eine Arbeitserlaubnis, die es ihm erlaubt, sich zu normalen Zeiten in Israel aufzuhalten und frei zu reisen.
Ohne eine Existenzgrundlage ist er in Schwierigkeiten geraten. Kürzlich wurde ihm der Strom abgestellt, als er eine Rechnung von 700 Schekel nicht bezahlen konnte. ´Neulich hat mir mein Vermieter eine Nachricht geschickt, dass ich ausziehen muss.`
Jetzt ist seine Zukunft ungewiss; so geht es vielen Leuten, die er kennt. Einige haben sich sogar auf den Verkauf von Drogen verlegt. ´Einer von ihnen sagte zu mir: ‚Was kann ich sonst tun, wenn ich mein Kind ernähren will?„ Ein anderer Bekannter von ihm habe einen so genannten Graumarktkredit aufgenommen, bei dem der Kreditgeber manchmal Verbindungen zur israelischen Kriminalität hat. ´Als er den Kredit nicht zurückzahlen konnte, erhielt er Drohungen und Bilder vom Auto seines Bruders. Die Botschaft war klar.`
Er weiß nicht, wohin er sich wenden soll, aber er weiß, dass die PA keine Option ist. ´Wir sind fünf Brüder. Drei arbeiten in Israel, einer arbeitet in einer Industrie, die von Israel abhängt, und der andere arbeitet für die PA. Früher haben wir demjenigen, der für die PA arbeitet, 200, 300, 400 Schekel pro Monat gegeben`, sagt Ayman.
´Die Palästinensische Autonomiebehörde hat kein Geld, um Gehälter zu zahlen, wie soll sie uns also unterstützen?` Inzwischen ertrinkt er in Schulden. `Ich musste das Sparschwein meiner Tochter öffnen und fand 270 Schekel. Ich öffnete das meines Sohnes und es waren 320 Schekel. Wir haben damit ein bisschen Essen gekauft.`
Viele Sicherheitsbeamte befürworten eine schrittweise Rückkehr der palästinensischen Arbeitskräfte, beginnend mit einem Kontingent von 13.000. Diese Beamten sind sich auch einig, dass die Palästinenser in die Arbeitswelt zurückkehren müssen, wenn die Regierung die Palästinensische Autonomiebehörde stabilisieren will, eine Entwicklung, die auch dazu beitragen wird, eine gewaltsame Eskalation im Westjordanland zu verhindern.
Doch das Sicherheitskabinett, dem rechtsextreme Politiker wie Finanzminister Bezalel Smotrich angehören, hält sich nicht an diese Empfehlungen. Anfang des Monats, nach einem Terroranschlag im Tel Aviver Vorort Ra’anana, der von Palästinensern ohne Arbeitserlaubnis verübt wurde, twitterte Smotrich: ´Der Widerstand, den wir im Kabinett gegen die Rückführung zehntausender arabischer Arbeiter aus Judäa und Samaria [dem Westjordanland] geführt haben, verhindert die nächsten Terroranschläge.`
Ayman hat vielleicht nichts von Smotrichs Post gehört, aber er sagt, dass der Angriff mit dem Auto und die Messerstecherei die Stimmung der Arbeiter wirklich getrübt haben. ´Wenn ich Ihnen einen Screenshot von einer Gruppe von Arbeitern schicke, werden Sie all die Flüche sehen und erkennen, dass wir gegen das sind, was passiert ist`, sagt er.
´Wir sind keine Terroristen`, sagt er. ´Wir wollen nur eine bessere Zukunft.`
Neben dem Eifer, an die Arbeit zurückzukehren, wächst auch die Angst vor der Atmosphäre, wenn es endlich soweit ist. ´Ich habe Angst, wieder zur Arbeit zu gehen, weil es draußen auf der Straße ist`, sagt Ayman und führt die Hetze gegen arabische Arbeiter in Israel an sowie die Angst, dass er fälschlicherweise als Terrorist abgestempelt wird, wenn er bei der Arbeit einen Fehler macht.
Mohammed Abu Zahra teilt diese Ansicht. ´Ich habe die Kommentare in den sozialen Medien gesehen, die sehr feindselig gegenüber palästinensischen Arbeitnehmern waren, und das hat mich wirklich enttäuscht`, sagt er. ´Die israelische Öffentlichkeit ist gut. Ich hoffe, sie lassen sich nicht dazu hinreißen, Arbeiter zu schikanieren, die das Land aufgebaut und die Sicherheitskontrollen bestanden haben.`“
https://www.haaretz.com/middle-east-news/palestinians/2024-01-29/ty-article-magazine/.premium/not-only-gaza-west-bank-palestinians-cannot-afford-food-and-meds-since-the-war/0000018d-556e-d0fc-a9bd-5f7f03930000

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Autor: Shir Hever

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